Ankunft auf Immenhof

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Ethelbert©
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Beitrag von Ethelbert© »

Der Reitplatz

Jochen hatte schon fleissig Vorarbeit geleistet. So entstand in recht kurzer Zeit und mit tatkräftiger Hilfe der Kinder aus Malente eine Art von Reitparcours. Zugegeben... so ein richtiger, ausgewachsener Springreitparcours war das ganz gewiss noch nicht.... eigentlich war es überhaupt kein Parcours sondern eher ein kleiner Reitplatz mit einer Sandgrube zum Rüberspringen und ein paar Stangen als Hindernisse.

Aber Jochen war sichtlich zufrieden und die Kinder waren begeistert. Dick schlug Jochen vor, daß das Dodauer Forsthaus zukünftig als Clubhaus der „Rot(h)en Reiter“ dienen sollte. Für ein knapp 13 Jahre altes Mädchen schien sie schon sehr entschlossen zu sein. Mans, der Dick und Dalli's bester Freund war und in der Schulklasse neben Dick sass, stimmte zu... allerdings nur unter der Bedingung, daß die Verpflegung in Ordnung sei denn schliesslich würde Reiten recht hungrig machen. Und Mans schien oft Hunger zu haben und Durst hatte er noch viel mehr.

Mittlerweilen war es schon Nachmittag geworden und Dalli rief zum gemeinsamen Aufbruch auf. Die Ponys sollten jetzt auf die Weiden am Kellersee gebracht werden... das hatten die beiden Mädels der Oma so versprochen. „Reiten dürft ihr mit den Ponys.... und eure Schulkameraden auch... aber dann mußt ihr die Ponys auch versorgen und ein wenig in der Landwirtschaft mithelfen“ hatte sie den beiden Mädels eingetrichtert. So ganz dumm war die Oma Jantzen ja nicht.

Es war halb fünf geworden. Jochen arbeitete im Garten vor dem Forsthaus. Da sah er wie Hein Daddel mit seinem Fahrrad angeschlichen kam. „Ahoi Käptn, sinn die Segel schon eingeholt?“ rief Hein Daddel seinem Kumpel Jochen von Roth zu. „Du Hein, komm mal her“ sagte Jochen und winkte Hein Daddel zu sich.

Woher Pferde nehmen wenn nicht...

„Dort hinten in der Scheune... da kannst du pennen wenn du willst. Ich sag schon nichts.“ „Ei Ei Käptn“ meinte Hein Daddel höchst erfreut und klopfte auf die Ledertasche, die er auf dem Gepäckträgers seines alten, rostigen Damenfahrrades festgeklemmt hatte. „Da iss Proviant drin, Käptn. Ick geh mal in die Schiffskombüse, Käptn, wenn se dat nich stört“.

Das störte Jochen nun wirklich überhaupt nicht... eher im Gegenteil... er hatte einen Mordshunger nach diesem ereignisreichen Tag und die Idee, daß er nun auch noch in der Küchen herumschuften sollte, war ihm nicht gerade genehm. „Käptn, ick war ja dat Mädchen für alles uff der Isabella. Ick war Steuermann, Smutje unn Leichtmatrose in eenem.“ Die „Isabella“ war ein Küstentrawler und war das letzte Schiff auf dem Hein Daddel angeheuert hatte bevor er sich entschlossen hatte ein braver Landbewohner zu werden und in der Holsteinischen Schweiz sein Glück zu versuchen.

Jochen staunte nicht schlecht wie Hein Daddel innerhalb kürzester Zeit ein köstlich riechendes Gebräu aus Kartoffeln und allerlei Gemüseartigem zubereitete. „Hein, wenn ich nur könnte würde ich dich sofort als Haushaltsfhilfe anstellen“ scherzte Jochen. Dann begann er Hein Daddel zu erzählen, was er heute erlebt hatte. Das Ehepaar Kassubeck aus Bremen, welches er in Malente getroffen hatte, suchte dringend einen Reitlehrer und aus irgendwelchen Gründen schienen Reitlehrer hier Mangelware zu sein.

„Käptn, dat machen sie! Dat machen Sie!“ meinte Hein Daddel begeistert. „Wir werden dat Schiff schunn schaukeln. Sie werden Reitlehrer unn nüscht anderes!“ Allerdings bestand da ein kleines, eher unbedeutendes Problem. „Hein, kannst du mir mal erklären wie ich Reitlehrer werden soll... wo ich doch kein einziges Pferd besitze?“

„Au backe, Käptn.... dat isch ja man een kleenes Problem“.... Hein Daddel's Stirn legte sich in Sorgenfalten und wie man unschwer erkennen konnte suchte der alte Seebär angestrengt nach einer Lösung für dieses nicht zu leugnende Problem. Die beiden löffelten die leckere Kartoffel-Gemüsesuppe aus, die Hein Daddel gerade beiden eingebrockt hatte. Und die Suppe schmeckte wirklich gut. „Tja Hein, mit den Pferden ist das wohl ein Problem. Woher nehmen wenn nicht stehlen?“

Hein Daddel's Miene hellte sich mit einem Mal auf. „Käptn, heut abend haben se die Pferde“ sprach Hein und blickte Jochen mit einem verschmitzten Lächeln an.
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Beitrag von Ethelbert© »

Herr von Roth?

Nun Jochen hatte noch ein „kleines Geschäft“ zu erledigen. Als er wieder kam war Hein Daddel jedoch spurlos verschwunden. „Wo ist der Bursche denn bloss hin? Und wo sind Dick und Dalli eigentlich?“ murmelte Jochen. Eigentlich sollten Dick und Dalli längst schon wieder zurück sein... aber Ponys und Backfische... das ist halt so eine Sache. Wahrscheinlich tobten die beiden mit ihren Kameraden und Oma Jantzen's Ponys irgendwo in den Wäldern und auf den Feldern rund um die Seenplatte herum. Und natürlich kümmerten sie sich einen Dreck um die Erwachsenen.

Es war mittlerweilen halb acht Uhr abends geworden und Jochen hatte, wie von der Oma aufgetragen, den alten Heuwagen, der in der Scheune stand, ordentlich abgeschmiert und arbeitsbereit gemacht. Schliesslich stand in einigen Tagen die Heuernte bevor... und da brauchte man jeden Mann und jede Frau. Und Heuernte bedeutete natürlich, dass man morgens mit den Hühnern aufstehen mußte.

„Hallo Herr von Roth“ erklang es von draussen. „Herr von Roth? Wer ruft mich denn da so vornehm?“ Draussen stand Dick vor der Tür. „Wir sind wieder da, Herr von Roth“ sagte Dick. „Wieso nennst du mich denn Herr?“ fragte Jochen neugierig.

„Die Oma hat gesagt, dass wir dich Herr von Roth nennen müssen und nicht Jochen. Es gehört sich nämlich nicht Erwachsene zu duzen“ sagte Dick. „Die Oma hat nämlich gesagt, dass wir zwei schlechterzogen wären weil die Dalli neulich dem Pferdehändler die Zunge rausgestreckt hat... und da hat Oma der Dalli eine geknallt und hat gesagt dass man uns mal die Leviten lesen muss. Und heut hat sie gesagt, daß wir beide ziemlich unerzogen wären und deswegen müssen wir SIE zu dir und allen anderen großen Leuten sagen, Herr von Roth!“

Die Leviten lesen...

„Ja das hat die Oma gesagt, Herr von Roth“ ergänzte die jüngere, 11jährige Schwester von Dick, die sich von unten unbemerkt ans Forsthaus angeschlichen hatte, offenbar um Herrn von Roth zu erschrecken. „Na da sag ich nichts mehr“ meinte Jochen. „Wenn eure Oma das so will dann müßt ihr das natürlich tun. Das befehle ich euch sogar. Auf seine Oma muss man nämlich hören... die ist ja eure Erziehungsberechtigte. Also gestatten... von Roth ist mein Name“. Jochen streckte Dick und Dalli lächelnd die rechte Hand entgegen. „Aber das wissen wir doch dass du der von Roth bist, Jochen“ ergänzte Dalli vorlaut.

„Du Herr von Roth, was sind denn eigentlich die Leviten?“ fragte Dick neugierig. Da Jochen ja ein kluger und gebildeter Mann war und vor seiner Einberufung in die Wehrmacht fleissig studiert hatte, wußte er natürlich die Antwort. „Die Leviten, meine kleine Dick, sind Bibelverse aus dem alten Testament. Die Mönche haben das früher als Strafpredigt vorgelesen.“ „Aha, du bist aber klug, Jochen“ meinte Dalli und bekam von ihrer Schwester gleich ordentlich einen in die Seite gestossen. „Sie sind aber klug, Herr von Roth. Aber lies uns heute abend bitte nicht die Leviten vor, Jochen.“ korrigierte sich Dalli sofort.

„Aber Hein nennen wir nicht Herr Grobisch“ meinte Dalli dann noch. „Der Hein ist nämlich kein feiner Herr sondern ein oller Saufkopp... das hat die Oma immer zu Hein gesagt.“ „Ja wenn das eure Oma so gesagt hat, dann muss es ja wohl stimmen“ meinte Jochen, den die Situation ziemlich zu amüsieren schien. „Wir gehen jetzt ins Haus, Herr von Roth, und räumen auf, Herr von Roth“ sprach Dick und zog ihre Schwester mit der Hand ins Forsthaus. „Tschüss Herr von Roth“ fügte Dalli noch bei.

„Jo Heee“ ertönte es plötzlich. „Jooo Ahooiiii Käptn, da bin ick wieder“... die kleine, untersetzte Gestalt, welche sich dem Dodauer Forsthaus näherte, konnte eigentlich nur Hein Daddel sein. Aber wo kamen bloss die beiden Pferde her, die Hein Daddel am Zügel mit sich führte?
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Beitrag von Ethelbert© »

Jorinde und Joringel

Es handelte sich um Reitpferde und Jochen's geschultes Auge erkannte sofort, daß da wohl edles Trakehner-Blut im Spiele war. Aber wo hatte Hein Daddel solche Pferdekostbarkeiten her? „Jooo Käptn. Do bin ich. Dat sinn Jorinde und Joringel. Dat sinn jetz unsere Reitpferde...... ich werd sie mittschiffs unterbringen, Käptn!“

Jochen stand relativ fassungslos dar... er war auf alles mögliche vorbereitet, aber darauf sicherlich nicht. „Hein, jetzt komm mal her und verrate mir mal wo du diese beiden Pferdeschönheiten aufgegabelt hast. Aber versuch nicht mir einen Bären aufzubinden. Also woher hast du die Pferde? Doch nicht etwa gestohlen?“

Hein Daddel reckte sich gegen Himmel... was bei seiner eher kleinwüchsigen Gestalt allerdings wenig hilfreich zu sein schien. „Jooo Käptn. Also dat war so.“ Nun erzählte Hein, dass er ja regelmässig im Dorfkrug seinen Skatabend hatte. Das war meistens am Freitag und bei der Gelegenheit würden die Skatbrüder auch mal um Geld spielen. Allerdings nicht um viel Geld sondern nur um ein paar Pfennige.

Doch eines Abends hätte Hein den Bauer Bultjes, der etwas zu tief ins Glas geschaut hatte, überrredet einmal um etwas wirklich wertvolles zu spielen Hein hätte sein Fahrrad verwettet und Bauer Bultjes die kupferne Badewanne, in der seine Frau ihr „Bad auf der Tenne“ zu halten pflegte. Natürlich hätte Hein gewonnen.... aber dummerweise hätte sich Bauer Bultjes in den Tagen danach nicht daran erinnert, dass er eine Badewanne an Hein Daddel verloren hätte und dieses sogar aufs heftigste abgestreitet.

„Unn da bin ich zu ihm gegangen unn hab ihm gesacht, dass seine Alte alles vertellt bekommt... wenn nich“.... was soviel heissen sollte wie „wenn Bauer Bultjes nicht die Badewanne rausrückt gibt’s mächtig Zoff und er, Hein Daddel, wolle der Gattin von Bauer Bultjes dann mal erzählen, dass ihr besoffener Gatte die Badewanne an Hein Daddel verspielt hätte...“ Allerdings sei er an der Badewanne nicht besonders interessiert gewesen... aber dafür an Bauer Bultjes' Pferden. Der hatte nämlich einige Reitpferde auf seine Weide stehen... würde sich aber nicht richtig um sie kümmern.

Also hätte Hein dem Bauer Bultjes einen Kuhhandel... oder eher einen Pferdehandel vorgeschlagen. Er würde auf die Badewanne verzichten, wenn ihm Bauer Bultjes auf unbestimmte Zeit Jorinde und Joringel ausleihen würde. Das wäre auch für eine gute Sache... und überhaupt würde er seiner Alten auch nichts erzählen... und da hätte Bauer Bultjes zugestimmt. Denn zwei Pferde ausleihen sei immer noch besser als einen Besen auf den Kopf zu bekommen bzw. Krach mit seiner Alten zu haben und nicht mehr in den Dorfkrug zum Skatabend zu dürfen.

Der Erpresser

„Na du bist mir ja einer, Hein. Weisst du wie man das nennt? Das ist Erpressung.“ meinte Jochen nun. Der war offensichtlich um seinen guten Ruf sehr besorgt und Hein's etwas „unlautere Geschäfte“ waren nicht gerade die beste Vertrauensgrundlage... insbesondere wenn man gerade dabei war sich hier in der Gegend ein neues Leben anzufangen und seine Zukunft zu planen.

„Hein, morgen gehen wir zu Bauer Bultjes und bringen die beiden Pferde zurück. Da kenn ich nichts...“... Jochen strich sich über die Haare und betrachtete die beiden dunkel gefärbten Pferde von Bauer Bultjes. „Also schön sind die ja Hein. Die würden mir gut gefallen und so schöne Reitpferde.... aber es hilft ja alles nichts, Hein. Die müssen zurück. Wir beide wollen doch ehrlich sein, oder?“ Das schien Hein einzusehen, denn er nickte zustimmend.

„Schau mal Jochen hat Pferde“ erschall es plötzlich und ebenso plötzlich sassen zwei Mädels auf den beiden Pferderücken. „Die sind aber hübsch, Herr von Roth. Dürfen wir mal ausreiten?“ Diese Frage war jedoch nur rein theoretischer Natur, denn die beiden Mädels ritten einfach davon. Jochen schaute ihnen nach.... und strich sich erneut auf die Haare. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass Jochen gerade schwer am Nachdenken war. „Nein Hein. Die Pferde müssen zu ihrem Eigentümer zurück gebracht werden. Da beisst keine Maus den Pfaden ab.“

Am nächsten Morgen...
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Beitrag von Ethelbert© »

Pferdediebinnen

... fehlten natürlich die beiden Pferde. Dick und Dalli hatten sich (wie konnte es auch anders sein) die beiden Trakehner Jorinde und Joringel „mal kurz“ ausgeliehen.... also genau wie gestern abend. Die beiden wollten wohl den dicken Michel markieren sprich mit den edlen Trakehner-Pferden mal so richtig angeben und sie möglichst vielen ihrer Freunde zu zeigen.... natürlich zunächst mal Mans, dem Sohn des Dorfschmiedes und besten Freund der beiden jugendlichen Immenhof-Amazonen.

„Siehst du Hein, ich hab's dir ja gesagt. Backfische und junge Reitpferde... das kann nicht gut gehen. Aber dafür sagen sie jetzt 'Sie' zu mir anstatt 'du'. Ich würde mir wünschen die zwei wären etwas artiger und erzogener... und mir ist wurscht ob sie mich siezen oder duzen. Ach ja, Hein... man hat's nicht leicht“.

„Nee Käptn, abba leicht hat's eenen... kenn ick, kenn ick...die beiden Mädels sinn ab durch die Pampas... hab ick Ihnen schon erzeehlt wie ick als Walfänger bei der kaiserlichen Marine angeheurt hatte....“... doch weiter kam Hein Daddel nicht. „Hein, komm los. Wir spannen Lotte an und reiten ins Dorf. Weit weg können die beiden ja noch nicht sein.... Hach ich darf gar nicht dran denken. Wenn da etwas passiert. Das sind doch nicht unsere Pferde. Und ich soll auch noch auf die beiden Mädels aufpassen.... und nachher bekomm ich die Schuld wenn die sich den Hals brechen... oder wenn sich eines der beiden Pferde ein Bein bricht... Hach man hat es nicht leicht...“ jammerte Jochen.

Und das Herumjammern war eigentlich gar nicht Jochens Art. Seit dem er sich hier in der Gegend niedergelassen hatte war aus ihm eigentlich ein ziemlich anpackender Mensch geworden... und kein miesepetriger Jammerlappen. Aber anscheinend war Jochen ein wenig überarbeitet... hatte zu wenig Schlaf... nicht gut gegessen... oder irgendeine Laus war ihm über die Leber gelaufen.

Welche Laus?

„Ick wees Käptn. Ihnen iss 'ne Laus über die Leber gelaufen. Ick wees ach schon welche Laus, Käptn. Ne Fräulein-Angela-Laus.“ Jochen schaute den Hein Daddel nun recht tiefgründig an und versuchte möglichst keine Miene zu verziehen. Denn das er Fräulein Angela recht gern leiden konnte.... ja das wollte er eigentlich nicht unbedingt an die grosse Glocke hängen. Und Fräulein Angela hatte er nun geraume Zeit nicht mehr gesehen. Die war nämlich ausserhalb Malente's und ausserhalb vom Immenhof... in Eutin und Lübeck, um dort zu lernen und zu arbeiten.

„Ick verrat ja nix, Käptn. Mit mir könn se rechnen. Ick bin doch ihr bester Freund, Käptn.“ Jochen zog es vor zu schweigen und dannn fuhren die beiden mit Lotte und der grossen Kutsche in Richtung des Ortes... um Dick und Dalli auf den beiden Trakehner-Reitpferden aufzuspüren.... und natürlich mindestens einer von ihnen (am besten der älteren) den Kopf aufgrund ihres verantwortungslosen und unverschämten Verhaltens abzureissen. Aber der jüngeren könne man auch den Kopf abreissen... denn verdient hätte es dieses freche, vorlaute, kleine, blonde Monstrum allemal. Darin waren sich Jochen und Hein einig.

Ausserdem waren sich Jochen und Hein darüber einig, dass sie damals in ihrem Alter niemals solche Sachen angestellt hätten. Zumindestens Hein's Miene ließ allerdings darauf deuten, dass diese Aussage nicht unbedingt 100% richtig sein musste. Jochen bestand allerdings darauf Hein Glauben machen zu wollen, dass er damals... als in Dick und Dalli's Alter gewesen war, niemals auch nur eine einzige Dummheit gemacht hätte sondern immer brav auf seine Eltern gehört hätte.

„Dat gloob ick, Käptn. Jetzt weiss ick auch warum sie so kurze Beene haben.....
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Beitrag von Ethelbert© »

Die Strafprozession

Zunächst fuhr Jochen einmal auf den Immenhof. Das dauerte eine Weile. Aber er hoffte dort die beiden Mädels mit den beiden wertvollen Reitpferden zu finden. Aber keine Spur... wie verlassen lag der Immenhof dar. Nur Hannes war noch da und der wußte von nichts und hatte auch niemanden gesehen. Alle anderen Immenhof-Bewohner waren heute ausgeflogen. Und Dick und Dalli waren mit den beiden Pferden anscheinend gleich zur Schule geritten. Zuzutrauen wäre es den beiden ja... das dachte auf jeden Fall Jochen.

„Dann müssen wir wohl auf unsere alten Tage wieder in die Schule“ meine Jochen etwas lakonisch zu Hein Daddel. „Ai Ai Käptn. Olles kloar.“ Und schon ging es ab in Richtung Malente bzw. zur Volksschule, wo Jochen die beiden Pferde zu finden hoffte. Aber Pech gehabt... auf dem Schulhof war nichts zu sehen und in den Unterricht hineinstürzen... das wollte Jochen nun auch nicht unbedingt.

„Verdammt nochmal.... also wenn ich die beiden Gören zu greifen kriege dann setzt es was“ fluchte Jochen, der sichtlich empört war. „Die lass ich eine Strafprozession durch die Holsteiner Schweiz machen... die bind ich hinten am Wagen an und lasse sie zu Fuss laufen.... also wenn ich die zwei erwische dann... den beiden fehlt die richtige Erziehung. Kein Wunder... wenn man ohne Vater aufwächst fehlt halt die starke Hand!“

Aber wo konnten die Pferde nur sein? „Käptn, wir fohren zurück nach Dodau.“ Das schien in der Tat die beste Idee zu sein.... und siehe da... ein lautes Wiehern, das schon 100 m vor dem Forsthaus zu hören war, beseitigte alle Unklarheiten bzw. des Verbleibs der edlen Reitpferde, die Hein Daddel mal so kurz „unterschlagen“ hatte bzw. dem armen Bauer Bultjes abgeschwindelt hatte. Die Pferde waren vor direkt vor dem Forsthaus von den beiden Mädels angebunden worden und dann waren die beiden verschwunden.

„Käptn, regen se sich bloss nich auf. Dat sinn doch noch Kinder“ grummelte Hein Daddel, der das ganze eher gelassen sah. Aber mit Jochen war heute nicht gut Kirschenessen und seine knurrige Miene ließ eher auf Regenwetter als auf strahlende Sonne schliessen. „So Hein... jetzt fahren wir zu Bauer Bultjes und bringen die beiden Reitpferde zurück. Das gehört sich schliesslich so...“... Jochen band Jorinde und Joringel hinten an die Kutsche und zusammen mit Hein und Lotte, dem Zugpferd, ging die Reise los zum Bauern Bultjes. Der wohnte glücklicherweise nicht allzuweit weg.

Beim Bauern Bultjes

Das Bild, das sich nun Bauer Bultjes bot, schien sehr vergnüglich zu sein. Da kam ein Fuhrwerk mit einem gröhlenden Seebären und einem laut schimpfenden Kutscher und mit zwei hinten angebundenen Pferden mitten auf den Hof gefahren. Bauer Bultjes sah sich das ganze, über eine Schaufel gebückt an, und schüttelte nur den Kopf. „Watt denn dat?“ rief er aus und kaute dabei auf seinem Zigarrenstumpen herum.

Jochen sprang vom Kutschbock und ging auf Bauer Bultjes zu. „Gestatten von Roth ist mein Name. Ich glaube wir haben uns schon gesehen. Ich bringe ihnen ihre beiden Pferde zurück, die der Pappkamerad da ihnen abgeluchst hat.“ Dabei zeigte er auf den noch auf dem Kutschbock sitzenden und mit beiden Händen wilde Abwehrbewegungen machenden Hein Daddel. „Tschä... so so... sie bringen mir also die Pferde zurück... Tschäää... Joooo... Hmmm..... dann kommen se mal mit ins Haus.“ Bauer Bultjes führte Jochen und Hein hinein in seine recht hübsche Holsteiner Bauernkate, die ebenso wie das Forsthaus mit einem Reetdach bedeckt war.

In der nächsten Viertelstunde redete Jochen ununterbrochen... und entschuldigte sich mindestens 30 Mal beim Bauern Bultjes, weil er ihm so viele Umstände gemacht hätte... und wie leid ihm die Geschichte täte... und dass er jetzt zwar keine Pferde mehr hätte... aber ehrlich und aufrichtig zu sein sei besser als Reitpferde zu haben.

„Tschää Hmmm... Jooo....“.. meinte Bauer Bultjes ab und zu und hörte Jochen gespannt zu. Dem war es heute anscheinend nach „viel Quasseln“ zumute. „Tschäää... Hmmm.... Tschääää Herr von Roth... wissen se watt... ich vermisse die Pferde ja gar nicht... wissen se watt....“... dann setzte sich Bauer Bultjes bequem hin und erläuterte die Lage.

Die vier Reitpferde auf seiner Weide namens Jorinde, Joringel, Tausendsassa und Friedenstaube hätte er von seinem Schwager übernommen als dieser vorübergehend in finanzielle Nöte geraten sei... allerdings nur aus Freundlichkeit und Höflichkeit und weil es sich ja um den Bruder seiner Frau handele. Aber eigentlich hätte er mit Pferden ja gar nichts am Hut... und viel Zeit zum Pferdezüchten geschweige denn zur Pferdepflege hätte er nun auch nicht. Und er sei fast froh gewesen als Hein ihm Jorinde und Joringen sozusagen „abgeluchst“ hätte.

„Na das ist ja interessant...“ sagte Jochen nun. „Das ist wirklich interessant....“...plötzlich hellte sich Jochen's Miene auf und er zwinkerte Hein Daddel kurz zu.
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Beitrag von Ethelbert© »

Ein gutes Geschäft

Der zwinkerte zurück und schien verstanden zu haben was Jochen im Sinn hatte. „Sehr geehrter Herr Bultjes“... jetzt klang Jochen richtig feierlich. „Wir sollten zusammenarbeiten. Die vier Reitpferde sind für Sie eigentlich nur eine Last und ich würde sie dringend benötigen um meine Reitschule zu eröffnen. Ausserdem brauchen die Pferde Bewegung. Denn nur ein gesundes, kräftiges und gut trainiertes Reitpferd lässt sich verkaufen“.

Bauer Bultjes hörte aufmerksam zu und nickte mit dem Kopf. Er schien sehr interessiert an Jochens Vorschlägen zu sein. Dieser erläuterte seinen Plan. Wenn Bauer Bultjes ihm seine vier Reitpferde überliesse dann würden Jochen und Hein sich um die Pflege kümmern und auch um den Verkauf. Reitschüler wären geeignete Kunden zwecks Erwerb eines Reitpferdes. Und ihm, dem Bauern Bultjes, würde so eine Last abgenommen und er hätte mehr Zeit sich um die Landwirtschaft zu kümmern.

Bauer Bultjes streckte seinen Arm nach oben und holte weit aus. „Au backe“ schien Jochen zu denken. „Jetzt haut er mir eine runter!“ Aber von wegen.... Bauer Bultjes Arm senkte sich und er bot seine Hand Jochen zum Handschlag an. „Dat is een gutes Gescheeft, Herr Roth“ rief Bauer Bultjes erfreut aus. Genau sollte es gemacht werden und nicht anderes. „Ingriiiiddd....!!!“... rief Bauer Bultjes. Ingrid war seine Ehefrau. „Ingriiid... brrrringgg uns mal die Korrrrrnnnflasche“

„Darauf trinken wir jetzt eine. Dat Geschäft iss abgeschlossen!“... Jochen, Bauer Bultjes und Hein Daddel genehmten sich einen Schluck aus den bereitstehenden Schnapsgläsern. „Awwa eener iss nid genug“ meinte der Bauer und Hein stimmte lautstark zu. Und noch ein Korn... und noch ein Korn... und noch ein Schlückchen... Hmmmm... was schmeckte das lecker. Nach dem sechsten oder siebten Korn näherte sich die Stimmung dann langsam ihrem Höhepunkt.

„Jetzt müssen wir aber gehen“ meinte Jochen. „Wenn wir überhaupt noch gehen können...“... Jochen erhob sich leicht schwankend aus seinem Sessel und fiel fast nach links direkt auf den Bauern Bultjes. Hein, der wesentlich trinkfester als Jochen war, griff seinem Freund unter die Schulter und gemeinsam schafften sie Jochen zur Kutsche. Der sang bereits einige ortsübliche Trinklieder.

Auf in den Kampf!

„Und jetzt geht es ab zur Oma Jantzen <hicks> Der werd ich mal den Marsch geigen. Am besten ich kauf ihr gleich den Immenhof ab <hicks> <schluck>... die alte Schreckschraube... und Dick und Dalli bekommen den A.r.... versohlt dass es nur so kracht“... Jochen war allerbester Stimmung und schwankte, im Gegensatz zu Hein Daddel, erheblich. Hein Daddel setzte der Alkohol aufgrund jahrelangen intensiven Trainings und Gewöhnung bei weitem nicht so zu wie dem armen Jochen, der jahrelang ohne einen einzigen Tropfen dahinvegetieren musste.

„Auf in den Kampf, Toreheheroooo....“ sang Jochen. „Tschääää Käptn. Unn dann werden se noch dat Fräulein Angela entführen unn in der Dorfkirch gleich heiraten....“.... „Jawohl Hein, genau das werde ich tun <hicks>“ Die beiden stark angeheiterten Kumpels machten sich auf den Weg in Richtung Immenhof und Jochen stimmte noch einmal einige ortsübliche Trinklieder an von denen einige sogar recht anzüglich waren. Wenn dass die frommen und braven Ortsansässigen gehört hätten... aber glücklicherweise fuhr man ja durch den Wald.

Auf dem Immenhof angekommen sprang der stark angetrunkene Jochen gleich vom Kutschbock und meinte zu Hein Daddel gewand: „Hoffentlich ist die alte Schreckschraube da“. Dann stürmte er ins Haus, gefolgt von Hein Daddel. Der machte sich bereits Sorgen um seinen Freund Jochen von Roth. Der Duft, der aus Richtung Küche entströmte, liess darauf deuten dass Oma Jantzen und Trine, die junge Magd und erst seit kurzem auf dem Immenhof, wohl dabei waren Mittagessen zu kochen.
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Eine verlorene Schlacht

Aufrechten Schrittes, aber leicht schwankend, begab sich Jochen in Richtung Küche. Es roch nach Kartoffelklössen. „Frau Jantzen“ sprach Jochen nachdem er die Küche betreten hatte. „Ich möchte gerne das Dodauer Forsthaus pachten um dort eine Reitschule zu eröffnen.“ Oma Jantzen starrte Jochen von Roth ungläubig an... dann starrte sie Trine ungläubig an... und die starrte wiederum Jochen von Roth an. Trines Blick schien allerdings nicht darauf deuten zu lassen, dass sie irgendetwas von den Dingen, die gerade vorgingen, verstanden hätte.

Dann steckte Hein Daddel seinen Kopf vorsichtig durch die Küchentür. Er hatte ja einige Zeit bei Oma Jantzen auf dem Immenhof gearbeitet. Allerdings hatte Oma Jantzen ihn dann mit Karacho vom Hof geschmissen weil er seinerzeit allzuoft in der Speisekammer anzutreffen war und viel zu wenig bei der Arbeit.

„Ach“ rief Oma Jantzen aus. „Der ist jetzt bei ihnen? Also also... sehr geehrter Herr von Roth! Sie wollen unser Forsthaus pachten? Ausgerechnet Sie? Haben sie denn einen einzigen blanken Heller in ihrer Brieftasche.... Ach... Ach... dass ich nicht lache... HAHAHA... sie wollen also mein Forsthaus pachten. Ist nichts und hat nichts... und will das Forsthaus pachten?“ Jochen war nun wesentlich kleiner geworden als er noch einige Momente vorher war... vor allem als er bei Hein auf dem Kutschbock sass und großspurig verkündete welche tolle Reitschule die beiden bald betreiben würden.

„Also Herr von Roth“ sprach nun die Oma Jantzen. „Also nehmen sie es mir nicht übel. Aber sie spinnen ein wenig. Ausserdem <schnüffel> <schnüffel>... ausserdem riechen sie nach Schnaps... <schnüffel> <schnüffel>.. oder ist das der alte Seemann da?“ „Sehr geehrte Frau Jantzen“ sprach Jochen nun. „Ich habe da einen Plan... wenn sie vielleicht....“... aber weiter kam Jochen nicht mehr. „Ach was lächerlich“ rief Oma Jantzen. „Da könnte ja jeder kommen. Mein Forsthaus pachten? Dass ich nicht lache.... und jetzt gehen Sie bitte.“

Das war's! Die Unterredung mit Oma Jantzen war kurz und schmerzlos verlaufen. Vor allen Dingen aber völlig erfolgslos. „Käptn, ick hab dat geahnt. Die alte Schabracke hat Haare uff den Zeehnen... unn traut keenem ausser sich selbst.“ Jochen und Hein fuhren wieder in Richtung Forsthaus. Allerdings war Jochen wesentlich weniger gesprächig als noch einige Momente vorher... diese Oma Jantzen war ein harter Knochen und mit der war nicht gut Kirschenessen. Das Forsthaus würde er wohl niemals bekommen... und damit wäre sein Traum aus. „Weisst du was, Hein? Ich krieg das Forsthaus“ sprach Jochen dann trotzig. „Man soll seinen Optimismus niemals aufgeben“.

Die Retterin in der Not

Und da schien Jochen recht zu haben. Denn gegen Abend kam Angela, die älteste der Immenhof-Geschwister, aus Plön zurück Sie arbeitete seit einiger Zeit in Plön bei einem Kaufmann und lernte dort auch das Wirtschaften und die Buchführung. Auch Dick und Dalli waren zum Essen gekommen bevor es mit den Ponys wieder zurück nach Dodau ging.

„Angela stell dir vor“ begann Oma Jantzen die Konversion als die ganze Familie am Tisch sass und zu Abend ass. „Jetzt stell dir mal vor... da kommt dieser von Roth, dieser Nichtsnutz, mit diesem Hein Daddel... noch so einem Nichtsnutz... und der will unser Forsthaus pachten. Ausgerechnet der? Der besitzt doch keinen blanken Heller“. Angela hörte ihrer Oma aufmerksam zu und schaute sie an wie nur Angela einen anschauen konnte. „Weisst du was, Oma? Gib dem Herrn von Roth doch eine Chance. Das Forsthaus steht doch sowieso leer. Und einen neuen Pächter finden... du weisst doch wie schwer das ist, Oma.“

Richtig überzeugt war die Oma Jantzen allerdings keineswegs. „Aber der hat doch nichts, Angela. Ein Flüchtling ist er. Und einem Flüchtling soll ich mein Forsthaus geben? Niemals. Niemals, Angela.“ „Aber Oma“ meinte Dick nun. „Wir sind doch auch Flüchtlinge.“ Angela hakte sofort ein. „Hast du das denn vergessen, Oma? Wir mussten 1000 km flüchten um zu dir zu kommen. Und du hast uns aufgenommen und die beiden kleinen zusammen mit mir aufgezogen. Was hätten wir denn ohne dich gemacht?“ Da hatte Angela natürlich recht... und Oma Jantzen schien etwas verunsichert zu sein.

„Ach was“ meinte Oma Jantzen dann. „Schluss mit der Diskussion. Jetzt wird weitergegessen. Nach einigen Momenten meinte sie dann trocken und etwas lakonisch: „Ich werd es mir überlegen, Angela. Aber wenn das schief geht fliegt dieser Herr von Roth mit samt diesem Seeselflicker Hein raus. Und zwar sofort!“ Angela lächelte ihre Oma an.
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Der „arme“ Jochen

Dick und Dalli konnten es kaum erwarten wieder zum Forsthaus nach Dodau zurückzureiten. Dalli war mit Apfeltörtchen unterwegs und Dick mit der Ponystute Pepita. „Das wird eine Überraschung für Jochen“ rief Dick ihrer Schwester zu. „Der freut sich bestimmt darüber, dass die Oma ihm das Forsthaus verpachten will. Dann muss er aber viel Geld bezahlen...“... plötzlich wurde Dicks Stimme ein wenig weinerlich. „Aber er ist doch sooo arm, der arme Jochen. Der hat doch überhaupt kein Geld.“

Das klang so traurig, dass Dalli fast anfing zu weinen. Aber sie beherrschte sich noch einmal denn man muss ja nicht wirklich für jeden Mückenschiss gleich anfangen zu heulen... und ausserdem würde ihre Schwester dann wieder „du alberne Heulsuse“ zu ihr sagen. Dabei war ihrer Meinung nach Dickie noch viel weinerlicher sei als sie selbst.

„Du Dickie!“ rief Dalli plötzlich. „Wir werden Jochen Geld besorgen. Ich werden mein Sparschwein schlachten und du deines. Und dann gehen wir zum Doktor Pudlich und pumpen den an... und dann leihen wir noch Geld von unseren Freunden“. Dick hielt ihr Pony an und die beiden Schwestern standen nun mitten auf dem Waldweg. Der Gedanke von Dalli „dem Jochen Geld zu leihen“ schien auch Dick zu gefallen. „Du Dalli. Vielleicht leiht Angela ihm ja auch Geld? Die verdient doch jetzt ziemlich viel Geld weil sie ja beim Kaufmann Barkmann in Plön arbeitet.“

Diese Idee schien auch nicht schlecht zu sein. Aber Dr. Pudlich schien der geeigneteste Kandidat sein „um Jochen Geld zu leihen“. „Auf zum Pudlich“ rief Dick und wendete ihr Pony auf der Stelle. Dann ging es mit Karacho nach Malente-Gremsmühlen zurück und hinein in die kleine Strasse, in der Dr. Pudlich seine Tierarztpraxis hatte. Die Kutsche stand neben dem Haus und das war ein sicheres Zeichen, das Dr. Pudlich wohl zuhause in seiner Praxis war.

Der Doktor und das liebe Vieh

Offenbar war er gerade von einer ländlichen Visite in irgendeinem Viehstall zurückgekehrt Die Schwestern stürmten Dr. Pudlichs Bude unangemeldet durch die Hintertür. „Ja dat iss aber een Überraschung“ rief Dr. Pudlich als er die beiden kommen sah. „Dat Dick unn dat Dalli wollen mich mal wieda besuche komme.“ „Onkel Pudlich, Onkel Pudlich....“ rief Dalli und bekam fast keine Luft.... so aufgeregt war sie. „Onkel Pudlich... du musst uns helfen. Wur brauchen Geld“. Zuerst befreite sich Dr. Pudlich einmal vorsichtig von Dalli, die wie es ihre Art war, dem Viehdoktor (wie Oma Jantzen ihn manchmal im Scherz nannte) um den Hals gefallen war und dort wie eine Klette hing.

„Ja mal langsam“ rief Dr. Pudlich lachend. „Nid so schnell ihr zwei Höhner. Geld wollt ihr von mir ... Hi Hi Hi.... wieviel denn? Hunnat Mark odda tausend Mark? Hi Hi Hihi....“ Dick stellte sich vor Dr. Pudlich und erklärte ihm nun das äußerst wichtige Anliegen der beiden Schwestern. Jochen wolle in Dodau eine Reitschule aufmachen und müsse dafür das Dodauer Forsthaus von der Oma leihen. Und das würde unheimlich viel Geld kosten... und dann bräuchte er Reitpferde... und dann bräuchten die Reitpferde Futter... und all dies würde unheimlich viel Geld kosten... und dann bräuchten Jochen und Hein neue Reitkleidung.... und auch das würde umheimlich viel Geld kosten.

„Ja dat iss ja richtig unheimlich, mein Dickie“ meinte Dr. Pudlich schmunzelnd. Aber die Idee schien ihm zumindestens nicht zu missfallen. „Bitte Bitte Onkel Pudlich“ sagte Dalli. „Bitte gib uns doch Geld. Du bist doch so reich.“ „Ich reich?..... HiHiHi.... ich bin arm wie eene Kirchenmaus mein Dallilein“... Dr. Pudlich krempelte seine Hosen- und Jackentasche um... aber das überzeugte die beiden Schwestern nicht. „Du hast dein Geld auf der Bank, Onkel Pudlich“ meinte Dalli altklug.

„Ja. Und außerdem hast du dir neulich einen teuren braunen Anzug gekauft, Onkel Pudlich“ ergänzte Dick ihre Schwester. „Du mußt dem Herrn von Roth Geld geben, Onkel Pudlich.“ Der grinzte die beiden Schwestern in der ihm eigenen, unnachahmlichen Weise an. „Hmm ja... ihr habt woll recht... HiHiHi... der Herr von Roth braucht viiiiieeelll Geld“ meinte Dr. Pudlich schliesslich. „Unn dat Geld liejt nid auf der Strasse... sonst würd ich et nämlich aufheben... HiHiHi... ich werd mal schauen watt ma da mache kann...“

Das war genau die Art von positiver Antwort, die Dick und Dalli vom „Viehdoktor“ erwartet hatten. Sie fielen ihm rechts und links um den Hals und busselten den Doktor nach allen Regeln der Kunst ab. „Dat iss Bestechung... HiHiHiiii“ rief Dr. Pudlich lachend. „Unnn jetz trinke ma eenen Kaffee unn essen een Stück Marmorkuchen“.
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Der Besuch der jungen Dame

Der Marmorkuchen war schnell vernichtet und die beiden Schwestern verflüchtigten sich ebenso schnell. Sie konnten es kaum abwarten nach Dodau ins Forsthaus zurück zu reiten. Denn dort ereigneten sich jetzt überaus interessante Dinge... und diese Dinge durfte man auf gar keinen Fall verpassen.

Hein und Jochen waren gerade dabei Holzlatten zu zersägen. Anscheinend hatten die beiden vor größere bauliche Veränderungen am Stall vorzunehmen. Auf der Wiese vor dem Forsthaus standen vier edle Reitpferde... drei Braune und ein Schimmel. „Herr von Roth“ rief Dick. „Wo haben sie denn die schönen Pferde her?“ Jochen blickte kurz auf und machte ein besonders mürrisches Gesicht. Denn eigentlich wollte er den beiden Schwestern zunächst einmal eine Strafpredigt halten weil sie heute morgen unangemeldet mit zwei Pferden, die ihnen nicht mal gehörten, einfach mal so abgehauen waren ohne den Jochen um Erlaubnis zu fragen.

Doch ein Fahrradklingeln unterbrach Jochen's triste Gedanken. „Käptn, dat Fräulein Angela hat mittschiffs anjelecht...“ sprach Hein Daddel und zeigte in Richtung Forsthaus. Und tatsächlich... da stand Fräulein Angela. Jochen streifte sich sich rasch sein Hemd glatt... sowas tut man meistens instinktiv wenn man bei jemandem einen guten Eindruck machen will. Und einen guten Eindruck bei Fräulein Angela zu machen schien für Jochen sehr wichtig zu sein. Hein sah „seinen Käptn“ von der Seite an und schmunzelte. Der alte Seebär wusste nur zu genau welche Gedanken Jochen jetzt durch den Kopf schossen. Schliesslich war Fräulein Angela zur Zeit nur selten auf dem Immenhof und noch seltener auf Dodau.

Jochen stürzte auf Fräulein Angela zu und reichte ihr die Hand. „Ja Fräulein Angela... dass sie uns hier mal besuchen kommen. Das ist aber eine große Ehre für uns.“ Dann bat er Fräulein Angela höflich ins Forsthaus hinein. Dick und Dalli schlenderten hinter den beiden her und sondierten die Lage. „Du Dickie. Der Jochen kann unsere Schwester anscheinend ganz gut leiden.“ „Ja Dalli“ antwortete Dick und nickte.

Eine gute Tat

Da sie schon ein wenig erwachsener als ihre Schwester war begriff sie schon eher was sich hier abspielte. Schliesslich gab es ja da diesen Jungen aus Malente... den alle Kalli nannten, der aber eigentlich Karl-Heinz mit Vornamen hiess... und der schon einige Jahre älter war als die beiden Schwestern... und der der Malergeselle vom Herrn Malermeister Gollenberg war. Und ab und zu trafen sie den in Malente.

Zum Beispiel neulich als Dick und Dalli mit Angela auf der Post waren um einige Pakete aufzugeben... und wenn der Kalli die Dick beim Vorbeigehen dann so ansah... dann wurde Dick immer puterrot im Gesicht und Dalli merkte das natürlich. Und dann machte sie ich über Dick lustig. „Du bist ja rot wie eine Erdbeere, Dickie... Hihihi...“. „Sei ruhig, Dalli. Sonst hau ich dir eine runter“. Und wenn Dick sowas zu ihrer kleinen Schwester sagte musste die Lage schon ganz besonders ernst sein. Und darum zog es Dalli dann aus diplomatischen Gründen vor zu schweigen.

Im Forsthaus sassen die vier dann im zugegeben etwas beengten Wohnzimmer und Fräulein Angela deckte ihre Karten rasch auf. „Herr von Roth. Sie wollen eine Reitschule aufmachen?“ fragte Angela. „Ja woher wissen sie denn das, Fräulein Angela?“ „Hier in so einem kleinen Ort bleibt nichts geheim, Herr von Roth“ entgegnete Angela lächelnd. „Unsere Oma ist bereit ihnen das Forsthaus zu verpachten. Es war zwar nicht ganz einfach die Oma zu überzeugen... aber gemeinsam haben wir es geschafft.“ Dabei blickte Angela lächelnd in Richtung Dick und Dalli und die beiden freuten sich wie die Honigkuchenpferdchen wegen ihrer guten Tat in Bezug auf Jochen.

Unterdessen sass Dr. Pudlich im Malenter Dorfkrug und unterhielt sich mit dem Wirt. Bei dieser Unterhaltung ging es anscheinend um irgendwelche finanziellen Dinge... oder sogar um „Investitionen“ und darum wie man den Fremdenverkehr anheizen könne und solche Sachen... und außerdem ging es darum dass man hier dringend eine Reitschule brauche. Und dann ging es noch darum, dass der Wirt vom Dorfkrug natürlich viel mehr zahlende Gäste hätte wenn hier mehr Leute in die Gegend kämen.
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Hurra, Hurra.... der Jeldbrieftäja ist da

Am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe wurden Jochen und Hein von einem lauten Türklopfen geweckt. Etwas verschlafen machte sich Jochen auf in Richtung Haustür. Wer mochte das wohl sein? Neugierig öffnete Jochen die Tür... und siehe da Dr. Pudlich stand unten an der Treppe und lächelte Jochen spitzbübisch an.

„Aber Herr Doktor? Was machen sie denn so früh am morgen in Dodau? Ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen?“ „Neee Herr Jochen... HiHiHii... der Jeldbriefträger is da... HiHiHii...“. Mit „Jeldbriefträger“ war natürlich „Geldbriefträger“ gemeint. Jochen schaute diesen „Jeldbriefträger“ recht erstaunt an. „So so... der Geldbriefträger? Der ist bei uns nur sehr selten zu Besuch. Eigentlich fast nie.... aber sowas hört man natürlich gerne. Und womit verdiene ich denn diese Ehre, Herr Doktor Pudlich?“

„Dat bespreche ma drinne“ meinte Dr. Pudlich und drängte Jochen ins Haus hinein. Unterdessen hatte sich Hein Daddel dazu gesellt. Sein verschlafenes Gesicht hatte mindestens ebensoviele Falten wie das Hauptsegel der „Isabella“ nach einer heftigen Brise. Die „Isabella“ war Hein's letztes Schiff gewesen. Dr. Pudlich kam gleich zur Sache. „Herr Jochen... sie wollen also eene Reitschule hier aufmache? Dat is jud, Herr Jochen. Ich hann imma schunn jesacht dat hier een Reitschul her muss. Für die Touristen unn die Stadtleut.“

Dann legte der Doktor seine Brieftasche auf den Tisch und zog einen Briefumschlag daraus hervor. „Da schaun se einmal, Herr Jochen.“ Jochen untersuchte den Briefumschlag und zu seinem grossen Erstaunen befanden sich darin einige blaue Scheine, die alle zusammen einen recht erstaunlichen Geldbetrag ergeben. „Aber Herr Doktor... was soll ich denn jetzt sagen... sie wollen mir Geld anbieten... oder leihen.. ist das richtig? Das kann ich ihnen niemals zurückzahlen, Herr Dr. Pudlich.. sie wissen doch, dass.....“

„Ach Papperlapp“ lachte der Doktor. „Jetzt hören sie mal gudd zu, Herr Jochen. Dat Jeld is vunn mir, vumm Wirt vom Dorfkrug unn vom Kaufmann Brinkmeyer. Unn dat is keen Geschenk, Herr Jochen. Dat Jeld wolle ma zurück. Unn dat krieje ma auch zurück, Herr Jochen... da bin ich mir janz sicher. Dat iss ihr Startkapital für ihr Reitschul!“

Nun begann Dr. Pudlich dem Jochen darzulegen, dass das ganze nichts anderes als ein zinsloser Kredit oder Vorschuss sei.... und dass er als Tierarzt und der Wirt vom Dorfkrug sowie der Kaufmann Brinkmeyer natürlich das ganze nicht aus reinem Samaritertum täten sondern das ganze als eine Investition betrachteten.

Kleider machen Leute

Wenn Jochen's Reitschule erfolgreich wäre.... woran er, der Pudlich nicht den allergeringsten Zweifel hätte.... dann bräuchte Jochen Pferde und die bräuchten auch mal einen Tierarzt. Und der Wirt vom Dorfkrug und Kaufmann Brinkmeyer waren natürlich auch an möglichst vielen Sommergästen und Reitschülern interessiert. Das sei schlieslich gut für das Geschäft. Und wenn das ganze schiefginge dann könne Jochen den Geldbetrag immer noch abstottern.

„Käptn“ sprach Hein Daddel mit ernster Miene. „Käptn dat Geld dürfen sie ned ausschlagen. Überlegen se nich so lange.......“ Und tatsächlich... lange überlegte Jochen nicht. Er bot dem Doktor die Hand an und dann schlugen beide ein. Das Geschäft auf Gegenseitigigkeit war getätigt. „Hein, mach dich zurecht. Wir fahren gleich in die Stadt.... und dann mache ich einen ganz anderen Menschen aus dir, Hein!“ Gesagt, getan.... mit Lotte und dem Pferdewagen ging es kurz darauf in Richtung Malente und Hein, der am heutigen Tag besonders gut gelaunt war, stimmte sein Lieblingslied an: „Dat kann doch einen Seeman nicht erschüttern. Keine Angst, keine Angst Rosmarie... unn wenn der letzte Mast auch bricht... wir fürchten uns nicht.“

Jochen ging direkt zum nächstgelegenen Textilgeschäft und Hein trottete etwas schüchtern hinter seinem „Käptn“ her. Denn so ein feines Kleidergeschäft kannte der alte Seebär wahrscheinlich nur vom Hörensagen. „Guten Tag“ sprach Jochen. „Wir wollen uns neu einkleiden.“

Eine halbe Stunde später verliessen zwei bis dato in der Gegend unbekannte Personen das Kleidergeschäft. Niemand hatte diese beiden Personen jemals hier gesehen... das stand fest. Wahrscheinlich waren die beiden Feriengäste aus Oberbayern, adlige Herrenreiter oder wohlhabende Geschäftsleute im Freizeitdress... oder alles zusammen. Die beiden unbekannten Herren begaben anschließend zu Kaufmann Brinkmeyer. Durch die halbgeöffnete Eingangstür war kurz darauf ein gröhlendes Gelächter zu hören.

„Hein.. bist du das?“
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Letzte Vorbereitungen

„Jooo bin ich“ erschall es dann aus dem Kaufmannsladen. Und ebenso schnell wie sie gekommen waren verschwanden die beiden „Herrenreiter“ wieder ... voll beladen mit diversen Tüten und Paketen. „Lass dich mal anschauen, Hein“ meinte Jochen zu dem alten Seebären. „Fein siehst du aus. Wir haben einen richtig feschen Kerl aus dir gemacht. Schau mal rüber... du bist gerade dabei der Damenwelt den Kopf zu verdrehen. Die betrachten dich schon höchst aufmerksam“.

Hein Daddel nickte höflich in Richtung der beiden Landfrauen, die auf der anderen Seite der Strasse gingen und neugierig unsere beiden Helden anstarrten. Dann fasste er sich an seinen Tirolerhut: „Gestatten, Hein Daddel.“ Lachend begaben sich Jochen und der alte Seebär Hein Daddel dann zurück zur treuen Lotte und dem Pferdefuhrwerk. Und schon ging es zurück nach Dodau. Hier erwartete die beiden noch etliches an Arbeit denn...... übermorgen war der grosse Tag, den Jochen und Hein Daddel bereits voller Spannung erwarteten.

Der Samstag fand für Hein und Jochen eigentlich gar nicht statt... so waren die beiden damit beschäftigt das alte Forsthaus auf Hochglanz zu bringen und Hein schien sich geradezu in seine neue Rolle als „Forsthaus-Gärtner“ hinein zu steigern. Das Blumenbeet musste schliesslich geharkt werden und diese höchst wichtige Tätigkeit hatte Jochen dem Hein übertragen.... owohl dieser von Blumen ungefähr soviel verstand wie Jochen vom Walfang. Aber Hein entpuppte sich rasch als überaus lernfähiger und wissbegieriger Zeitgenosse. Der Optimismus und die Tatkraft, die von Jochen von Roth ausging, hatte sich auch auf Hein Daddel übertragen.

Der große Tag

Dann war es soweit. Der große Tag war angebrochen. Es war ein schöner Spätsommertag Ende August des Jahres 1953 und heute sollten, falls nichts dazwischen käme, die ersten Reitschüler sich bei Jochen von Roth im Dodauer Forsthaus einfinden. Hein hatte früh am Morgen noch schnell ein braunes Holzschild mit weisser Aufschrift erstellt.„Reitschule Jochen von Roth - Dodau“ stand auf dem Schild und Hein rammte es direkt vor das Forsthaus nahe am Weg, auf dem Besucher zum alten Dodauer Forsthaus gelangten.

Kurz nach Mittag begab sich Jochen vor das Forsthaus und dachte darüber nach was sich in so kurzer Zeit alles ereignet hätte. Nach seiner sehr langen Kriegsgefangenschaft in Russland war er völlig mittellos hier im Ort angekommen und sein erste Begegnung stand unter denkbar schlechten Vorzeichen. Oma Jantzen vom Immenhof hielt ihn für einen herumstreunenden Wegelagerer und Vagabunden und jagte ihn sofort vom Hof.

Dieses Erlebnis hatte Jochen so wütend gemacht, dass er zurückkehrte und der alten Dame mal so richtig den Kopf wusch. Und bei dieser Gelegenheit hatte er dann die die drei reizenden Schwestern vom Immenhof kennengelernt. Und seitdem hatte er sich hier eingelebt... hatte viel gearbeitet... und durch eine glückliche Reihung von Zufällen stand er jetzt am Beginn eines neuen Lebens.... als Reitlehrer hier in der Holsteinischen Schweiz.

Und dabei hatte Jochen sich nach seiner Kriegsgefangenenschaft schon fast aufgegeben.... und eigentlich war er kein gläubiger Mensch. Aber trotzdem schaute er kurz nach oben und schien jemandem zuzwinkern zu wollen. Aber was jetzt in Jochen's Kopf vorging das wusste nur er. Und dann sollten ja die Kassubecks hier erscheinen. Das wohlhabende Ehepaar Kassubeck aus Bremen hatte Joche von Roth vor einigen Tagen in Malente kennengelernt. Die beiden suchten einen Reitlehrer und diese schienen hier in der Gegend wohl Mangelware zu sein. Jochen's Auftreten hatte das Bremer Ehepaar so überzeugt, daß sie ihm fest versprochen hatten Sonntagsnachmittags in Dodau vorbei zu schauen.

Ein lautes Hupen war plötzlich zu vernehmen...
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Die ersten Gäste

.... und eine schwere, dunkelblaue Limousine näherte sich bedächtig dem alten Dodauer Forsthaus. Den haifischartigen, silbernen Kühlergrill kannte Jochen noch. Das war der teure, amerikanische Wagen der Familie Kassubeck aus Bremen, die wie versprochen sich heute am Sonntag „Jochen's Reithof“ anschauen wollten.

Frau Kassubeck wollte ja für ihr Leben gerne reiten lernen und einen richtig guten Reitlehrer hatte das Ehepaar anscheinend noch nicht gefunden. „Geduldig sein“ sollte dieser Reitlehrer... und höflich und gut erzogen. Schliesslich hielt man ja etwas auf sich und Herr Kassubeck wollte seine kostbare Gattin auf gar keinen Fall irgend so einem Schnösel vom Lande anvertrauen. Und dass der gute Jochen ein gebürtiger „von Roth“ war schien bei dessen Auswahl durchaus eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Denn bei einem ehemaligen Gutsbesitzer oder zumindestens „Gutsbesitzeranwärter“ das Reiten zu lernen... ja das schien genau das Richtige zu sein.

Der Wagen hielt an und Jochen und Hein näherten sich freundlich lächelnd und hielten höflich die Tür auf. Das hatte Jochen seinem neuen Stallknecht und Mädchen-Für-Alles Hein Daddel sorgsam eingebleut. „Hein... der erste Eindruck ist immer wichtig. Nur mit Höflichkeit kommt man im Leben weiter... und der Gast ist König und so weiter....“ hatte Jochen dem alten Seebären den ganzen Morgen lang eingetrichtert. Und der bemühte sich nach allen Kräften, hielt die Wagentüre geöffnet, lächelte freundlich, verneigte sich höflich und half dem Ehepaar beim Aussteigen.

Allerdings hatten die beiden nicht damit gerechnet, dass der angekündigte Besuch gleich so zahlreich gekommen war. Denn es waren nicht nur Herr und Frau Kassubeck aus Bremen, die aus dem Auto stiegen sondern noch zwei weitere Damen. „Gestatten. Sabine Krause ist mein Name“ stellte sich eine der Damen vor. Sie war auffallend schick gekleidet und etwas jünger als Frau Kassubeck. „Gestatten Elisabeth Göllnitz“ stellte sich die andere Dame vor, die Jochen auf ca. 40 Jahre schätzte.

Herr Kassubeck, seines Zeichens Schrotthändler aus Bremen und ganz gewiss kein armer Schlucker ging breit lächelnd auf Jochen zu und reichte ihm die Hand. „So Herr von Roth. Da sind wir.“ Er schaute sich kurz um. „Das ist ja ein richtiges kleines Paradies hier, Herr von Roth. Gefällt mir.“ Jochen reichte seinen Gästen die Hand und hielt eine kurze Ansprache. Er freue sich über seine Gäste und hoffe sie recht bald als neue Reitschüler begrüssen zu dürfen. Ein kleiner Spaziergang über das Gelände schloss sich an und Jochen erfuhr, dass die beiden Damen Freunde des Ehepaares wären und ebenfalls Reitstunden nehmen wollten.

Jochen führte seine Gäste zu den Pferden und vor allen die Damen schienen sehr beeindruckt zu sein. Denn dass ein richtiges Pferd gleich so groß sei... darauf war man wohl nicht vorbereitet. Plötzlich drehte sich Jochen um und rief ziemlich laut: „Jetzt kommt endlich raus, Dick und Dalli... glaubt ihr ich habe euch nicht gesehen?“ Zum Erstaunen seiner Gäste erschienen auf einmal zwei Mädels auf der Bildfläche, die sich anscheinend die ganze Zeit hinter einer Hecke versteckt hatten und die Szene heimlich beobachteten. Sie führten zwei Ponys am Zügel mit sich. Jochen hatte die beiden schon von Anfang an bemerkt... hatte aber nichts gesagt. Aber heimlich beobachtet zu werden ist ja nicht unbedingt angenehm.

Der Seeadler

„Ja sagt einmal, Dick und Dalli. Tut man sowas? Man beobachtet doch nicht heimlich fremde Leute“ rief Jochen mit gespielter Strenge. Dick und Dalli näherten sich sehr schüchtern und mit gesenkten Kopf den Erwachsenen und wagten es kaum aufzublicken. „Oh wie süss“ rief auf einmal Frau von Göllnitz. „Die sind ja reizend. Sind das ihre Töchter, Herr von Roth?“ „Nee“ antwortete Jochen lachend.. „Meine Töchter sind das nicht. Die würde ich nämlich glatt verhauen wenn sie sich hinter Hecken verstecken würden um fremde Leute zu beobachten. Ja sagt mal Dick und Dalli.... tut man sowas?“

Natürlich tat man sowas nicht... was für eine dumme Frage von Jochen! Aber dass er die beiden auch gleich so zurecht weisen musste... und das auch noch vor allen Leuten? „Ja kommt mal her ihr beiden“ rief Frau Göllnitz. „Was habt ihr denn da für hübsche Reittiere?“ Daraufhin schaute Dalli verstohlen zu ihrer Schwester und konnte sich offenbar das Lachen kaum verkneifen. Schliesslich waren Mäuschen und Pepita zwei richtige Ponys und keine „Reittiere“ oder sonstwas.

„Sind das zwei Pferdekinder?“ rief Frau Göllnitz neugierig und Dalli's Backen schwollen bedenklich an... was daraufhin schliessen ließ, dass sie das Lachen nur noch mit roher Gewalt unterdrücken konnte. Sie schaute hinüber zu ihrer Schwester und die schaute schielend zurück. Dass mit dem Schielen war ein mieser Trick von Dick, der offenbar darauf ausgelegt war ihre Schwester vor Lachen gleich explodieren zu lassen... was auch zweifelsohne gleich passiert wäre... wenn Hein Daddel nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre.

„Käptn da... da oben“ brüllte Hein mit Leibeskräften. „Käptn da oben ist der Seeadler!“ Er zeigte nach oben und alle Mann und alle Frau erhoben reflexartig die Köpfe gegen Himmel. Natürlich war da kein Seeadler was Hein sofort mit den Worten kommentierte „Och Schad... nu issa schon fort“: Diese kurze Zeit hatte Jochen benutzt um sich Dalli zu schnappen und ihr mit der Hand den frechen Mund zuzuhalten.
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Immer auf die Kleinen...

„Umppf Mmmpfffhhh Grmmmpff...“ erschall es aus Dalli's Kehle und das Lachen war ihr vergangen. Jochen hatte aber auch eine Mordspranke und schwielig war die auch noch... nicht gerade angenehm wenn einem so ein Ding den Mund zuhält.

Unterdessen schauten die Reitgäste immer noch gegen Himmel, um den Seeadler zu beobachten. Aber der war ja nicht da und war auch niemals da gewesen. Denn es handelte sich lediglich um ein recht geistesgegenwärtiges Ablenk- und Täuschungsmanöver von Hein Daddel, um die Aufmerksamkeit der Gäste von Dalli wegzuleiten bzw. von Dalli's ziemlich frechen Lachen.

„Weh du lachst noch einmal unsere Reitgäste aus, Dalli..... dann setzt es was. Aber heftig!“ raunte Jochen der kleinen Dalli ins Ohr. Die war sich allerdings keiner Schuld bewußt. „Aber Jochen... Grmmpfff... Umpfffhhh....ich habe doch nicht getaaaa.... Ummpfffhhhh....“

„Ähmmm... jaaa... also.... Seeadler haben wir hier auch. Wir haben hier allerlei Getier“ erklärte Jochen nun den Reitgästen. „Und die beiden Mädels hier sind vom Immenhof. Der liegt da drüben... ja... ähmmm....“... Jochen wies mit der Hand in Richtung Immenhof. „Das sind übrigens keine Pferdekinder, liebe Frau Göllnitz, sondern Ponys. Die werden nicht größer. Die bleiben immer so klein. Genau wie Hein Daddel“. Jochen wies auf der Hand auf seinen neuen, alten Reitknecht.

Herr Kassubeck lachte darauf hin los... eigentlich gröhlte er und schlug sich zweimal auf die Schenkel. „Sie gefallen mir, Herr von Roth. Nix für ungut, Herr Daddel... HoHoHooooo....“. Hein Daddel machte natürlich gute Miene zum bösen Spiel und ließ es bei einem etwas hilflos klingenden „Aber Käptn... imma auf die Kleenen“ bewenden was wiederum Herrn Kassubeck dazu bewegte eine weitere Lachsalve abzuschiessen.

Immerhin hatte das Auftauchen der beiden Mädels vom Immenhof nun dazu beigetragen, dass die Stimmung etwas lockerer geworden war. Und sowas ist immer eine gute Ausgangsbasis für weitere Taten. So dachten anscheinend sowohl Jochen als auch Hein. Die beiden warfen sich aufmunternde Blicke zu und Jochen machte eine Kopfbewegung in Richtung Haus. Das konnte eigentlich nur bedeuten: „Hein, geh in die Küche und hol einige Erfrischungen und Begrüßungsgetränke für die Gäste.“ Das tat dieser dann auch sofort.

Frau Göllnitz wandte sich mit einem zuckersüßen Lächeln nun wieder den beiden Schwestern mit den seltsamen „Reittieren“ zu. „Ja sagt einmal... wie heisst ihr denn, ihr zwei?“ „Ich bin die Barbara. Aber alle Leute nennen mich Dick“ antwortete die ältere Schwester und machte einen höflichen Knicks während sie Frau Göllnitz die Hand schüttelte. Die etwas jüngere Schwester tat dann genau das gleiche und schielte dabei etwas ängstlich in Richtung Jochen, der sie strengen Blickes fixierte und mit dem wohl nicht gut Kirschen essen war... auf jeden Fall wenn Dalli wiedereinmal allzusehr aus der Rolle fallen sollte.

Amazonen im Parcours

„Sollen wir dir etwas vorreiten, Tante?“ fragte Dalli nun ein wenig schüchtern und schielte dabei immer noch in Richtung Jochen. „Wir können nämlich ganz toll reiten, Tante... gell Dickie? .. Und Kunststücke können wir auch machen“

„Aber ja, ihr beiden Süßen“ rief Frau Göllnitz begeistert und ebenso begeistert stimmten die übrigen Reitgäste zu. „Ja reitet uns mal etwas vor“ meinte Frau Kassubeck lächelnd und schaute ihren Mann an. „Die sind doch wirklich nett, Anton. Die zwei Mädchen wären doch tolle Spielkameraden für unseren Florian... meinst du nicht auch, Anton?“ Der nickte nur.... und die Reitvorführung der beiden Schwestern begann.... und zwar höchst furios.

Zu Anfang gaben Dick und Dalli die Zirkusnummer „Zwei Ponys auf dem Nürburgring“ zum Besten. Diese Nummer bestand im wesentlichen darin die beiden Ponys in einem irrwitzigen Tempo im großen Rund herumzujagen und dabei Geräusche zu machen als würde man von einem ganzen Indianerstamm verfolgt. „Die sind ja schneller als der Mercedes Silberpfeil“ rief Herr Kassubeck begeistert und klatschte in die Hände.

Als nächstes stand dann das „verschärfte Parcoursreiten“ auf dem Programm, welches in erster Linie daraus bestand mit den beiden Ponys über die geradezu schwindelerregend niedrigen Hindernisse in Jochen's neu angelegtem Übungsparcours zu springen. Krönender Abschluss war dann der „fliegende Pferdewechsel“.... also der Umstieg vom Pony auf ein richtiges grosses Reitpferd... und das in vollem Pony-Galopp. Dabei wäre Dick fast aus dem Sattel gefallen. Aber abgesehen von einer kurzen Schrecksekunde tat dies der allgemeinen Begeisterung keinen Abbruch.

Herr Kassubeck war auf jeden Fall völlig aus dem Häuschen.. „Toll wie die beiden Mädels reiten können... einfach toll.... so gut reiten werdet ihr nie... nie, nie, nie“ rief er den drei ihn begleitenden Damen zu. „Das lernt ihr nie... dazu seid ihr ja zu fett... HoHoHoooo....“ Ein Kavalier schien Herr Kassubeck nicht zu sein und das waren wohl die allerwenigsten neureichen Schrotthändler.

Aber dass die drei Damen fett war.... das stimmte nun wirklich nicht... oder zumindestenes nicht so ganz... wenn man einmal von der Tatsache absah, daß die Hinterteile besagter Damen in den engen Reithosen darauf schliessen liessen, dass die Hungerjahre in Deutschland nun wohl schon seit einigen Jahre vorbei sein mußten.....
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Zwischenmahlzeit

... und auf Jochen's Dodauer Reiterhof gab es auch keine Hungerjahre mehr. Dafür sorgte schon Hein Daddel, das Mädchen-für-alles auf Dodau. Mit einer Glocke läutend erschien Hein bei den Reitschülern und bat diese einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen. Denn schliesslich sei ein leerer Magen keine gute Grundlage für einen erfolgreichen Reitkurs oder wie Hein Daddel sich auszudrückte: „Jetzt geht’s dem leeren Magen an den Kragen. Wünsche recht viel Wohlbehagen.“

„Och wie sie dichten können, Herr Daddel“ meinte höchst erfreut Sabine Krause, die jüngste der Reitschülerinnen und damit quasi das Reitküken. Allerdings war sie dem Kükenalter auch schon ein wenig entwachsen... und befand sich bereits im fortgeschrittenen Hennen-Alter.

Die Reitschüler begaben sich zusammen mit Jochen und den beiden Schwestern zum Forsthaus, wo Hein Daddel bereits Getränke und einigen leichte Speisen draussen auf einem grossen Tisch bereitgestellt hatte. Er bediente die Gästen äusserst höflich und zuvorkommend und hatte sein markantes Seemanshaupt stilgerecht mit einer riesigen Kochmütze aus seinen guten, alten Seemans- und Smutje-Tagen gekrönt.

„Herr von Roth“ sprach Herr Kassubeck aus Bremen. „Dass sie uns vier in den nächsten drei Wochen als Reitschüler begrüßen dürfen ist abgemacht. Mir gefällt es hier. Sie werden aber viel Ärger mit uns haben... HoHoHooooo....“. „Ich werde ein sehr strenger und unnachsichtiger Lehrer sein, Herr Kassubeck“ meinte Jochen mit leicht ironischem Unterton. „Und wer nicht willig ist bei dem gebrauchen wir Gewalt... Prost! Hein, zeig mal deine Muskeln!“

Das liess sich Hein nicht zweimal sagen und er präsentierte seinen auf der Unterseite leicht tätowierten linken Bizeps der Damenwelt. „Ooooh was für ein starker Seeman“ meinte Sabine Krause voller Bewunderung worauf Hein Daddel dann auch noch seinen rechten Bizeps präsentierte. „Vorsicht die ist mannstoll... HohoHooooo....“ kommentierte Herr Kassubeck die Szene. „Aber Anton. Benimm dich gefälligst. Was sollen denn die Leute von uns denken?“ erwiderte seine leicht entsetzte Gattin. Aber Kassubeck war heute gut gelaunt und seine derben Spässe schienen bei der Damenwelt keinen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Peinliche Entgleisungen

„Du Jochen... was ist denn mannstoll?“ fragte Dalli naseweiss und in aller Unschuld den armen Jochen von Roth. Das daraufhin anbrechende allgemeine Gelächter überzeugte Dalli dann allerdings davon, dass ihre Frage keine besonders gute gewesen sein müsse.... und etwas gutes könnte dieses Wort dann ja auch nicht bedeuten. Also unterliess sie es tunlichst nachzufragen. Schliesslich war ja die Oma auch noch da... und die beantwortete stets fleissig alle Fragen von Dalli. Und Dalli hatte manchmal wirklich jede Menge von Fragen.

Jochen versuchte dann die Situation zu retten in dem er das Gespräch zielgerichtet auf den bevorstehenden Reitkurs lenkte. Allerdings schien Fräulein Sabine Krause im Augenblick mehr an Hein Daddel's Bizeps interessiert zu sein. „Was stellt denn diese Tätowierung dar, Herr Hein?“ fragte sie neugierig. „Eine Nixe, min Fräulein“ entgegnete Hein höflich. „Unn die iss so hübsch wie ihnen, verehrte Damen“ fügte er bei. Das war zwar kein korrektes deutsch... dafür aber gut gemeint.“Das sind aber keine Nixen... das sind Seekühe!“ rief Herr Kassubeck laut aus und lachte sich sich sozusagen einen wech.

„Schwupsie... du bist heute unmöglich... also wirklich unmöglich... benimm dich doch mal anständig wenn wir unter Leuten sind“ ermahnte Frau Kassubeck wiederum ihren Ehegatten. „Schon gut, Schwipsie“ entgegnete Herr Kassubeck. „Wissen Sie, Herr von Roth, warum meine Gattin mich immer Schwupsi nennt? Weil schwupps... bin ich ich besoffen... HoHooo... und sie beschwippst... Prost Herr von Roth“.

Hein Daddel beeilte sich dann eine Kostprobe von Original-Hein-Daddel'schem Seemansgarn zum besten zu geben. In Patagonien gäbe es nämlich nicht nur Seekühre sondern auch Seeochsen... und die wären wie Robben geformt... hätten aber direkt über den Ohren ein riesiges Geweih... und die Patagonier würden mit den Seeochsen im Pazifischen Ozean regelrechte Stierkämpfe austragen. Das glaubte zwar kein Mensch.... aber immerhin war die Geschichte recht lustig.

Dick und Dalli, die bei den Erwachsenen am Tisch sassen, amüsierten sich prächtig. Dass Erwachsene aber auch so lustig sein konnten wie die... ja das war schon toll. Schliesslich war es Zeit zum Aufbruch. Herr Kassubeck und die drei Damen verabredeten sich mit Jochen auf den nachfolgenden Dienstag, wo dann die ersten Reitstunden stattfinden würden. Und Dick und Dalli ritten mit ihren beiden Ponys davon Richtung Heimat... und winkten den Reitgästen zum Abschied. Die winkten freundlich zurück. „Das war toll, Dickie“ meinte Dalli während die beiden nach Immenhof ritten. „Vielleicht sollten wir sie am Dienstag mal überraschen?“

Zuhause angekommen konnten die beiden Schwestern sich dann nicht mehr halten. Während die Familie mit Oma und Angela am Abendtisch sass, begannen die beiden zu erzählen was sie heute erlebt hatten. Und wie toll Jochen's Reitkurs sei und wie lustig die Reitschüler gewesen seien... und überhaupt. Angela, die älteste Schwester, hörte den beiden jüngeren Schwestern lächelnd zu.

„Du Oma... was ist denn eine mannstolle Seekuh?“ fragte Dalli schließlich neugierig. Daraufhin flog Angela fast die Suppe aus dem Mund und die Oma schaute Dalli mit entsetzt aufgerissenen Augen an: „Also Dalli........
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Beitrag von Ethelbert© »

Oma Jantzen und Jochen... eine große Liebe?

... sowas sagt man doch nicht. Wo hast du denn das gelernt?“ Da hatte sich Dalli wohl wieder voll in die Nesseln gesetzt. Angela versuchte eine ernste Miene aufzusetzen ... konnte aber ihr kieksendes Lachen kaum unterdrücken. „Dalli“ sprach Angela schliesslich. „Mannstoll sind Frauen, die nur Männer im Kopf haben und sonst nichts anderes.“ „Und warum haben die nur Männer im Kopf, Angela?“ ... Dalli bohrte weiter, denn diese Diskussion schien sehr interessant und vor allem sehr lehrreich zu werden.

„So jetzt ist aber Schluss! Mannstoll, mannstoll... ja wo sind wir denn hier?“ rief die Oma quer über den Tisch und das auch noch ziemlich laut. „Schluss jetzt mit diesem Unfug... ja sind wir denn hier ein wilder Negerstamm oder eine anständige deutsche Familie? Ich geb euch gleich... von wegen mannstolle Seekühe. Dalli, das kannst du doch nur von diesem von Roth und seinem ungewaschenen Stallknecht gelernt haben?“ Dalli nickte heftig während Dick darauf beharrte, dass nicht Jochen und Hein sondern die Reitgäste das gesagt hätten.

Nun kam das Gespräch natürlich auf Jochen und seine ersten Reitgäste. „Das sind 3 feine Damen aus Bremen“ beeilte sich Dick mitzuteilen. „Na fein... ich weiss nicht“ entgegnete Oma Jantzen. „Und die haben Geld... also soviel Geld“... Dick machte eine ausholende Armbewegung. „Und ein tolles Auto haben die auch. Und fein gekleidet sind die ... und....“... „Aha, aha aha.... ja hoffentlich kann dann dieser arme Schlucker von Roth die Pacht bezahlen“ sagte die Oma und Angela schüttelte daraufhin den Kopf: „Aber Oma.... sag doch sowas nicht.“

„Ja wer ist denn der schon, dieser Herr von Roth. Kommt da einfach daher und....“... meinte Oma Jantzen. „Und macht eine Reitschule auf.“ sagte Angela. „Da ist doch nichts dabei, Oma. Der Mann muss ja schliesslich von etwas leben. Meinst du nicht auch? Und sei doch froh, dass wir endlich einen Pächter für das Forsthaus gefunden haben“. „Ach Papperlapp... ich trau ihm nicht über den Weg“. Und mit diesen entschlossenen Worten Oma Jantzens war die Diskussion beendet und wenig später war es Zeit für Dick und Dalli sich in ihr Gemach zurückzuziehen.

Ein toller Tag

„Dickie... war das nicht toll?“ sinnierte Dalli während sie auf dem Rücken lag und die Wand anstarrte. „So was lustiges wie heute haben wir noch nie erlebt“. „Ja ja“ grummelte es von rechts aus der Richtung in der sich Dick's Bett befand. Die hatte sich bereits zusammengerollt und schien weiteren philosophischen Nachbetrachtungen des heutigen Tages wenig zugeneigt zu sein. Nach einigen Sekunden kam dann allerdings ein „Ja Dalli. Das war ein toller Tag“ aus Dick's Richtung und die beiden Schwestern waren wenig später friedlich eingeschlummert.... noch nicht wissend, dass der nachfolgende Tag noch viel toller werden würde.

Der neue Tag begann damit, dass Angela in aller Herrgottsfrühe die beiden Schwestern aus ihren Betten jagte. „Aufgewacht, rasch...“ erschall es. „Macht euch zurecht und frühstückt. Und dann ab in die Schule. Aber vorher müßt ihr noch einiges bei Herrn von Roth in Dodau abliefern.“ „Du meinst bei Jochen?“ plärrte die noch ziemlich verschlafene Dalli, die abrupt aus ihren schönen Träumen von ihrer großen Schwester aufgeweckt worden war. Und was waren das für schöne Träume gewesen... da waren Ponys und richtige große Reitpferde... und viele Gäste... und alle bewunderten Dalli, die großartige Kunstreiterin...

„Nein! Ich habe gesagt: bei Herrn von Roth! Gewöhn dich mal dran, dass wir nicht jeden duzen. Oder duzt du deinen Lehrer auch, Dalli?“... Angela schien heute morgen ein wenig barsch zu sein. „Nein Angela. Zu unserem Lehrer sagen wir immer Herr Dörr und nicht Wilhelm. Das ist aber auch ein blöder Vorname... Wilhelm... aber Jochen den kennen wir doch und....“ „Nein, Schluß aus!“ rief Angela. „Wir sind hier höflich erzogen!“: „Ja ja... ist ja schon gut...“ murmelte Dalli.

Währenddessen war es auch Dick gelungen sich aus ihrem tiefen Schlaf zu reissen. Laut gähnend und mit ihre langen, braunen, ungeordneten Haare schüttelnd stolzierte sie mehrfach im Zimmer auf und ab und streckte die Glieder weit von sich. „Dick, heute morgen gibt es Arbeit für euch“ erklärte ihre Schwester Angela. „Ihr nehmt heute den grossen Ponywagen. Hannes hat schon angespannt. Auf dem Wagen liegen einige Sachen, die Herr von Roth in Dodau braucht. Das bringt ihr heute morgen noch hin und dann geht es ab in die Schule.“

„Die blöde Kuh....“ jammerte Dalli, nachdem Angela das Zimmer verlassen hatte. „Die glaubt wohl sie...
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