Ankunft auf Immenhof

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Ethelbert©
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Noch'n toller Tag

... könne uns hier kommandieren. Sie ist immer noch unsere Schwester und nicht unsere Mutter. Bäh! Doofe Kuh....“ Ob das Angela wohl noch gehört hatte? Dick presste ihren Zeigefinger auf die Lippen und schaute dabei ihre Schwester an. Alles wissen bräuchten die Erwachsenen ja schliesslich nicht... und richtig über den Weg trauen könne man denen sowieso nicht... und Angela zählte für Dick und Dalli bereits zu dieser Erwachsenenkategorie.

Da es noch sehr früh am Morgen war und Oma Jantzen sich anscheinend im Stall oder im Gesindehaus aufhielt entfielen die allmorgendlichen gymnastischen Übungen, die Oma Jantzen ihren beiden Enkelinnen auferlegt hatte... und auch streng und konsequent durchführte. Schnell ein Brötchen in den Mund gesteckt... ein oder zwei Schluck Kaffee getrunken.... und schon ging es ab mit dem vollbeladenen Ponywagen in Richtung Dodau.

Dort warteten mit Sicherheit schon Jochen und Hein auf die beiden. „Schau mal an was Angela da aufgeladen hat. Alles nur Kram... das olle Reitgeschirr und unsere alten Sachen aus dem Keller“ meinte Dalli, die neben ihrer Schwester auf dem Kutschbock sass. „Aber Jochen kann das gut gebrauchen“ antwortete die Schwester. Nach einer fast halbstündlichen Ponyfahrt quer durch den Dodauer Forst waren die beiden schliesslich am Ziel.

Kurz vor Dodau kam den beiden dann allerdings noch jemand entgegen. Als dieser „jemand“ die Ponykutsche sah sprang sie/er blitzschnell in ein Gebüsch um sich zu verstecken. „Du Dickie. War das nicht eine der Reitschülerinnen von Jochen?“ fragte Dalli neugierig. Und tatsächlich... auch Dick schien die Person nicht ganz unbekannt gewesen zu sein. „Ja Dalli. Die hat doch ausgesehen wie diese Sabine Krause, die mit den Kassubecks gekommen ist. „Ja Dickie. Und das ist die wo Herr Kassubeck gesagt hat dass sie mannstoll sein.... ist das nicht so Dickie?“ Die Schwester nickte nur... schien aber diesen Vorfall nicht weiter ernst zu nehmen.

„Oooooh Dick... kuck mal da... da steht der Herr Roth... und wie der ausschaut...“. Und in der Tat: Jochen stand vor dem Forsthaus und sah richtig fesch aus. Fast wie ein zukünftiger Olympiasieger im Dressurreiten oder wie ein feiner Herrenreiter. Am Zügel hielt er zwei richtig fein herausgeputzte Reitpferde, einen Braunen und einen Rappen. Das waren wohl zwei der Pferde, die Jochen von Bauer Bultjes ausgeliehen hatte.

Eine seltsame Fundsache

„Guten Morgen, Jochen“ rief Dalli. „Guten Morgen, Herr von Roth“ rief Dick und stiess ihrer Schwester heftig in die Seite. „Die Oma hat doch gesagt....“ „Guten Morgen, Herr Daddel“ beeilte sich Dalli beizufügen, denn Hein Daddel kam gerade aus dem Forsthaus und trug eine Küchenschütze um seine speckigen Hüften. „Mann ist der fett geworden, der Hein“ raunte Dalli ihrer Schwester zu. „Und das in der kurzen Zeit.“ „Der Jochen ist aber auch nicht mehr so dünn wie er früher war...“ raunte Dick.

„Wer ist hier fett?“ rief Jochen, denn das Raunen von Dick und Dalli war anscheinend etwas zu laut gewesen. „Na euch geb ich gleich. Hast du das gehört, Hein? Wir zwei wären dick und fett meinen die beiden Gören.“ Hein betrachtete Jochen aufmerksam. „Tschä Käptn. Dat isch ja man nich schlecht beobachtet. Bugseitig hann se leichten Überhang.“ „Ich und einen Bauch? Dass ich nicht lache, Hein. Schau mal in den Spiegel!“

Dick und Dalli mussten recht bald zur Schule und aus diesem Grund erklärten die beiden dem Jochen und dem Hein, daß nicht mehr viel Zeit zum Hierbleiben hätten. Allerdings fuhren die beiden die Ponykutsche in den Reitstall hinein, um die Sachen auszuladen. Schließlich war man ja höflich. Als die beiden am ausladen waren fasste Dick ihrer Schwester kurz an den Arm. „Schau mal, Dalli. Da liegt was komisches im Heu.“ Und tatsächlich... in der Ecke mitten im Heu schaute ein Stück schwarz glänzender Stoff hervor. „Das ist aber seltsam“ meinte Dalli während sie dieses Stück Stoff in den Händen hielt. „Komisch... das sieht ja aus wie ein... Büstenhalter... und ganz schwarz ist er“.

Dick hielt sich jetzt die Hand vor den Mund und wurde ein wenig rot im Gesicht. Ob das nun aus Scham war oder weil sie soviel lachen musste war nicht ganz klar. Wahrscheinlich war es beides. Die beiden Mädels waren ein wenig irritiert von dieser seltsamen Fundsache. „Hihihi... das ist aber komisch. Wo kommt denn der her? Und schau mal Dalli wie gross der ist. Da passen ja zwei Melonen hinein“.

Dalli hielt es nun nicht mehr in den Startlöchern. Sie schnappte sich den schwarzen Büstenhalter Marke Doppelmelone und enteilte nach aussen in Richtung Jochen's Forsthaus. Mit dem Büstenhalter in der Hand kam Dalli auf Jochen zugelaufen und...
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Beitrag von Ethelbert© »

Das Corpus Delicti

... schwenkte das Corpus Delicti geradezu triumphierend nach allen Seiten als hätte sie eine Siegesfahne in der Hand. „Schau mal, Herr Roth. Das hier habe ich im Stall gefunden. Das ist aber ein komisches Ding. So ein Ding haben Angela und die Oma auch. Aber nicht so gross.“

„Das Ding“ war natürlich besagter Büstenhalter, den Dick und Dalli gerade in Jochen's Scheune unter dem Heu gefunden hattten. Und Jochen erkannte natürlich sofort um welches „Ding“ es sich hier handelte. Dementsprechend fiel auch seine Reaktion aus. Er nahm „das Ding“ der kleinen Dalli aus der Hand und schaute es sich von oben und unten sowie von allen Seiten an. Schließlich rief er so laut er gerade konne: „Hein! Heiiiiinnnn!!! Komm mal sofort her!“

Der kam angelaufen. „Wat iss denn, Käptn? Ham wa een Problem an Booooord??“ „Und ob wir ein Problem haben, Hein!“ meinte Jochen zu seinem leicht verdutzten Stallknecht. „Seit wann tragen denn unsere Pferde sowas, Hein?“ Der war ziemlich perplex.... und wirkte sogar, entgegen seiner sonstigen Art, ein wenig verlegen. „Tschä Käptn, dat iss ja mal een Damens-Ding unn nüscht für Pferde....“

„Und kannst du mir mal erklären wieso das bei uns im Stall liegt, Hein?“... Jochen bohrte nach und sein Gesicht ließ eher auf einen aufkommenden Meeressturm mit Windstärke 9½ schliessen als auf eitel Sonnenschein. Mittlerweilen war Dick hinzugeeilt und setzte sich auf den Kutschbock. „Komm Dalli, wir müssen los nach Malente in die Schule“. Aber ihr neugieriges Gesicht verriet, daß sie an der Aufklärung dieses Vorfalles mindestens ebenso stark interessiert war wie am rechtzeitigen „In-die-Schule-kommen“.

„Käptn, also Käptn.... ick weiss von nüscht...“ sprach Hein und machte sich auf in Richtung Forsthaus. „Ick weiss von nüscht unn muss noch was erledigen.“ Dann verschwand er im Forsthaus und Jochen hechtete hinterher. Dick und Dalli sassen auf der Kutsche und warteten noch ca. eine Minute. Im Forsthaus schien es hoch her zu gehen... aber so neugierig die beiden Mädels auch waren.... sie mussten jetzt ab in die Schule. Und das taten sie dann auch.

„Guck mal, Dickie. Hinten am Wagen hängt das komische schwarze Ding. Das hat Jochen wohl vergessen mitzunehmen.“ „Weisst du was, Dalli? Mach es in deine Schultasche und heute nachmittag fahren wir nach Malente ins Hotel oder in den Dorfkrug. Da wohnen doch die Reitschüler. Und dann geben wir das Ding der Krause zurück. Der gehört es bestimmt und die hat es bestimmt beim Umziehen vergessen.....“

Oh Schreck, die Schrägge!

Kurz nach halb neun sassen die beiden im Klassenzimmer. Dalli sass eine Bank hinter Dick weil heute morgen Zeichenunterricht war und zwei Klassen Gemeinschaftsunterricht hatten. Und das waren die Klassen von Dick und Dalli. Neben Dick sass Mans, der Sohn des Schmiedes und bester Freund der beiden Mädels vom Immenhof. Dalli war fleissig am Zeichnen, denn das konnte sie recht gut. Und wie üblich zeichnete sie Ponys... eigentlich zeichnete sie nichts anderes als Ponys und anderes Hufgetier.

„Klinnnngggg.....“ ertönte es. Pause in der kleinen Malenter Dorfschule. Die beiden Schwestern stürmten mit Mans nach draussen. Dalli hatte ihre Schultasche mit dabei. „Du Mans. Ich muss dir mal was komisches zeigen. Das haben wir heute morgen bei Jochen in der Scheune gefunden.“ Dalli kramte den Büstenhalter heraus, hielt ihn sich über den Kopf und machte dabei tanzende Bewegungen. Das hatte einen durchschlagenden Erfolg. Gelächter breitete sich auf dem Schulhof aus... weil ja jeder... oder zumindestens die etwas älteren durchaus wussten um welche „delikate“ Sache es sich hier handelte.

Fräulein Schrägge, die hochaugeschossene und etwas verhärmt wirkende Lehrerin, wurde dadurch neugierig. Sie sah was Dalli da in der Hand hielt und stiess einen empörten Schrei aus. „Dalli! Dalli! Sofort legst du das aus der Hand. Gib es mir... das ist ja unanständig“. Sprach's und entschwand mit dem schwarzen Damenunterbekleidungsstück im Schulhaus.

„Au backe, Dickie. Das gibt einen Anschiss vom Direx... meinst du nicht auch, Mans?“ Der lachte sich unterdessen einen wech... das war aber auch so komisch gewesen... Dalli mit dem schwarzen Büstenhalter und Fräulein Schrägge, die olle Zicke. Und mit der war sowieso nicht gut Kirschen essen... die hatte den Mans immer auf dem Kicker.

Kurz nachdem die Pause beendet war, wurde Dalli von Fräulein Schrägge recht unsanft in das Zimmer des Rektors gezerrt. Ihre Schwester durfte sie begleiten. Rektor Kuhlenbusch sass hinter seinem hohen Schreibtisch und zog seinen grauen Schnäuzer mehrfach nach oben. Das liess auf „leichte Unzufriedenheit“ schliessen. „Aha die Dalli vom Immenhof. Wiedermal! Und die Schwester ist dabei... gut so.“

Dann fing die Strafpredigt an und die hatte sich gewaschen....
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Deutsche Tugenden

... denn schliesslich herrschte in der Malenter Dorfschule Zucht und Ordnung. So wie früher... als Fräulein Schrägge noch BDM-Leiterin war... und Herr Rektor Kuhlenbusch ein schönes Parteibuch besass, auf das er sehr stolz war. Und ausserdem besaß er eine wunderschöne schwarze Uniform... aber das war schon lange, lange Zeit her. Und mittlerweilen hatten sowohl Fräulein Schrägge als auch Herr Kuhlenbusch das alles schon längst vergessen. Man vergisst halt so leicht. Allerdings galt das nicht für den Vater von Mans... der hatte seinem Sohn das nämlich alles mal gesteckt.

„Die Schrägge und der Kuhlenbusch waren früher mal ...zis. Mein Vater hat mir das erzählt“ hatte Mans überall verbreitet und somit den heiligen Zorn des Lehrerkollegiums auf sich gezogen. „Der Kuhlenbusch hat dem Hitl.er mal die Hand gereicht und danach hat sich der Kuhlenbusch wochenlang nicht mehr die Hand gewaschen“. Die Geschichte kannte in Malente aber sowieso jeder.

Der Sturmwind, der über Dalli erging, hatte sich allerdings auch gewaschen. Da war von Ungezogenheit die Rede und von bösen, ungehorsamen Kindern und von Moral und Anstand und all so einem Zeug.... Dalli hörte sowieso nicht hin weil sie in Gedanken schon längst wieder auf der Weide am See bei ihren geliebten Ponys war.

„Zur Strafe schreibt ihr beide 100mal den Satz „In der Schule muß man sich anständig benehmen“ an die Tafel und müßt eine Stunde lang nachsitzen“ sprach Rektor Kuhlenbusch triumphierend und schien mit sich recht zufrieden zu sein. „Ausserdem gebe ich euch einen Brief für eure Oma mit. Ach die arme Frau Jantzen... mit zwei so unerzogenen Enkelkindern muss das Leben wirklich schwer sein....“

„Ja ja“ meinte Fräulein Schrägge dann noch. „Wenn man von weit her kommt und keinen Vater hat und den ganzen Tag nur mit wilden Pferden spielt dann wird man halt verdorben.“ „Sie Fräulein Schrägge, das sind keine wilden Pferde. Das sind zahme Ponys. Und ausserdem geht sie das ja überhaupt nichts an“ meinte Dick nun. Und prompt gab es noch ein Extra-Nachsitzen für diese freche Bemerkung. Na heute war aber auch ein komischer Tag...

Die schreckliche Wahrheit

„Und das alles ist nur der blöde Büstenhalter von einer von Jochens Reitschülerinnen schuld“ meinte Dalli mit weinerlicher Stimme als die beiden Mädels nach Ende des Unterrichts an der Tafel standen und 100mal ihre Strafarbeit an die Tafel schrieben. Und das auch noch ganz klein... allerdings war Mans aus Solidarität mit seinen beiden besten Freundinnen ebenfalls in der Schule geblieben. „Du Mans. Ich habe eine Idee“ meinte Dick schliesslich. „Wir werden morgen den Jochen und seine Reitschüler überfallen und mal richtig erschrecken. Und dann werden wir aus Rache den schwarzen Büstenhalter verbrennen“.

„Vielleicht sollten wir das Ding zurückbringen“ meinte Mans dann weise. „Das macht doch nichts als Ärger. Siehste ja selbst, Dickie...“. Das schien nun eine recht gute Idee zu sein. Die Reitschüler wohnten ja alle zusammen im Hotel Seeblick... das hatte Dick von Malte Fuchs, dem Sohn des Hotelportiers, erfahren. Also nichts wie hin zum Hotel, das schwarze Ding einpacken und dem Portier geben. Das taten die beiden Mädels dann und fuhren endlich nach Hause auf ihren geliebten Immenhof. Der Oma würde man bis zum Abendessen mal vorsichtigerweise nichts erzählen und auch nicht den Brief geben... wenn Angela erstmal da wäre wäre das ja viel besser. Die beiden Schwestern waren sich einig.

Und schon war der Abend angebrochen... die „Familie“ sass beim Abendbrot... und Dick begann schliesslich ihrer Oma zu erzählen, daß heute sehr komische Sachen in der Schule passiert wären. Und daß der Rektor den beiden Schwestern einen komischen blauen Brief mitgegeben hätte... und daß die Oma den Brief lesen müsse und dann unterschreiben solle. Das tat die Oma. Sie setzte sich die Brille auf die Nase und fing an zu lesen.... „Hmmm Hmmm... teile ich ihnen mit... daß... Hmm... hmmm... die beiden Mädchen Brigitte und Barbara... Hmmm... Hmmm....“

Die Oma kreischte entsetzt auf. „Was habt ihr da angestellt , Dick und Dalli? Das ist ja schrecklich! Wie könnt ihr eurer alten Oma denn nur sowas antun. Also sowas... man darf doch nicht mit Damenunterwäsche auf dem Schulhof spielen. Also sagt mal...“. Angela schien über das ganze eher amüsiert zu sein während Dick schon mal heftig nach Luft schnappte.
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Freude im Haus

„Immer wir, Oma. Immer sind wir an allem Schuld“ rief sie mit weinerlicher Stimme. „Wir waren das aber nicht schuld. Die Unterwäsche haben wir doch bei Herrn von Roooooooth gefunden“. Sie betonte das „von Rooooooooth“ noch ganz besonders... wohl mit der Absicht die Schuld auf jemand anderen abzuwälzen. Und ganz unerfolgreich schien diese Strategie dann auch nicht zu sein, denn...

... die Oma schaute Dick neugierig an. „Wieso beim Herrn von Roth?“ fragte sie. „Ei in der Scheune auf Dodau hat das halt gelegen, Oma“ sagte Dalli keck. „Und wir haben es nur aufgehoben und Herrn von Roth gebracht und......“

„Ei der Daus“ sprach die Oma. „So, so... in der Scheune in Dodau liegen solche Sachen herum?“... die Oma plusterte die Backen auf. Angela schien ebenfalls recht überrascht zu sein. „So, so... bei dem sauberen Herrn Roth habt ihr sowas gefunden. Ja da sag ich nichts mehr. Da drüben muss es ja zugehen wie in Sodom und Gomorrha“... die Oma war heftig erregt. „Ja macht denn der da drüben ein Freudenhaus auf?“ rief die Oma nun und das hätte sie besser nicht sagen sollen... und anscheinend hatte die Oma nur laut gedacht und wollte sowas ja eigentlich auch nicht sagen...

„Du Oma? Was ist denn ein Freudenhaus?“ fragte Dalli neugierig und Angela hielt sich erstmal die Hand vor den Mund. „Äh was, Dalli...?“ fragte Oma Jantzen nach. „Was meinst du?“ „Oma, ich habe gefragt was ein Freudenhaus ist!“ rief Dalli mit maximaler Lautstärke in den Raum. Die Oma begann nun herumzudrucksen. „Äh ja... hab ich sowas gesagt? Angela, was habe ich denn gerade gesagt?“

Angela hielt sich immer noch die Hand vor den Mund. Anscheinend hatte sie sich beim essen verschluckt... dachte sich Dalli wohl. „Ein Freudenhaus, Oma. Ich habe gefragt was ein Freudenhaus ist“ rief Dalli nun zum zweiten Mal mit maximaler Lautstärke. „Dalli, das ist ein Gasthaus wo die Matrosen hingehen um sich zu amüsieren“ meinte Angela nun. Die Oma schaute Angela von der Seite an. „Die gehen dahin um mit Mädchen zu tanzen“ sprach Angela. „Und die freuen sich dann weil sie so gerne tanzen, die Matrosen... ähmmm... und die Mädchen“ meinte Angela.

Der Windhund

„Ach so“ meinte Dalli und das klang ein wenig enttäuschend. „Also wie das Hansa-Tanzcafé.“ „Ja genau wie das Hansa-Tanzcafé“ sprach Angela und schaute ihre Oma an. Die nickte heftig und schien ziemlich verwirrt zu sein. Das nächste Mal würde sie aber genau überlegen was sie so sagt... das stand in Oma's Gesicht zu lesen. „Und Hein Daddel geht auch immer ins Freudenhaus, gell?“ rief Dalli. „Weil er ja Matrose war“. Da schlug die Oma mit der Hand auf den Tisch. „So. Jetzt ist aber Schluss... Ruhe am Tisch! Wir reden hier nicht mehr über irgendwelche... ähmmm... Häuser. Schluss damit“.

Jetzt herrschte erstmal für einige Minuten Ruhe. Denn die Oma schien regelrecht wütend geworden zu sein... das war eigentlich gegen ihre Art. Dick und Dalli spürten aber, dass die Oma nicht mehr weiter diskutieren wollte. Warum schienen die beiden nicht zu wissen.... aber „Maul halten“ schien im Augenblick die Devise zu sein.

„Dieser Roth scheint ja ein ganz gerissener Kerl zu sein. Wahrscheinlich ist das ein Windhund. Dabei hat er immer so getan als könne er kein Wässerchen trüben... so als wäre er ein Heiliger“ sprach die Oma dann zu Angela. „Auf den muss ich mal ganz besonders acht geben“ fügte sie bei. „Und ihr zwei geht nur dann nach Dodau wenn ich das erlaube“ herrschte Oma Jantzen die beiden kleinen Enkelinnen an. „Habt ihr das verstanden?“

Dick und Dalli schauten sich verständnislos an... nickten dann aber heftig. Und auf die Oma würden die beiden ja sowieso nicht hören.
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Grosse Pläne

Davon abgesehen hatten die beiden ja schon fest geplant dem Jochen auf Dodau mal einen richtigen Schrecken einzujagen. So ein richtiger Überfall mit Ponys und lautem Geheul, um die Reitschüler mal gründlich zu erschrecken, schien die geeignete Kriegsstrategie zu sein. Das ganze wurde dann auch noch generalstabsmässig geplant als die beiden Schwestern im Bett lagen. Die Diskussion dauerte mindestens eine Viertelstunde... mehr ging nicht mehr an diesem ereignisreichen Tag. Die erste, die wegnickte, war Dalli. Denn für die war es heute ja ein ganz merkwürdiger Tag gewesen. Sie war ja schliesslich gerademal 11 Jahre alt und ein kleines Mädchen vom Lande. Da hat man noch nicht viele Dinge erlebt.

Unterdessen hatten sich auf Dodau die Wogen ein wenig geglättet. Das mysteriöse Stück Damenunterwäsche, welches Dick und Dalli in Jochens Scheune unter dem Heu entdeckt hatten, schien wohl auf ewige Zeiten sein Geheimnis bewahren zu wollen. Jochen hatte damit ja nichts zu tun... das wusste er ja selber.

Also musste doch Hein mit dieser Geschichte etwas zu tun haben. Aber alle Fragen und alles Nachbohren von Jochen halfen nichts. Hein blieb verstockt und stellte sich wechselweise auf strohdumm oder taubstumm. Er wusste von nichts... hatte nichts gesehen, nichts gehört und könne sich überhaupt keinen Reim auf die Geschichte machen. Die Tatsache, daß Jochen gestern nacht irgendwelche seltsamen Geräusche aus der Scheune gehört haben wolle, führte Hein darauf zurück, daß der Käptn halt in letzter Zeit zu viel gearbeitet habe... oder vielleicht würde der Klabautermann höchstpersönlich sein Unwesen auf Dodau treiben.

Am nächsten Morgen führ Jochen mit der Pferdekutsche gleich zum Hotel um seine Reitschüler abzuholen. Heute sollte schliesslich der erste offizielle Reitunterricht stattfinden. „Hach das hätte ich vor ein paar Wochen noch nicht gedacht“ sagte sich Jochen als er in die Stadt einbog und an der alten Schmiede entlang fuhr. „Und zu verdanken habe ich das eigentlich doch nur Fräulein Angela und den beiden kleinen Schwestern... und ein wenig auch der ollen, grantigen Oma Jantzen. Wenn die mir nicht andauernd in den Hintern getreten hätte dann.... ja dann wär ich doch glatt in Selbstmitleid versackt.“

Jochen war ein wenig stolz auf sich selbst und das zeigte sich auch in seiner Miene. Höflich und freundlich begrüßte er jeden den er unterwegs traf, lüftete freundlich seinen Hut und liess es sich sogar nicht nehmen kurz einmal an der Kirche vorbeizufahren und jemandem, der dort wahrscheinlich oder angeblich wohnte, mal kurz freundlich zuzunicken. Dieser jemand musste es wohl gut gemeint haben mit dem ollen Jochen von Roth. Manchmal hatte sich Jochen nämlich gefragt wo denn „dieser jemand“ während der letzten 12 Jahre seines Lebens verblieben sei...

Am Hotel Seeblick standen die Reitschüler schon bereit. Allerdings waren nur die drei Damen zu sehen. Herr Kassubeck, der Schrotthändler aus Bremen, hatte wegen dringender Geschäfte angeblich zurückfahren müssen, wie Jochen kurz darauf erfuhr. Die Geschichte mit dem mysteriösen Stück Damenunterwäsche erwähnte Jochen natürlich nicht und von den drei Damen schien auch keine in irgendeiner Weise etwas zu wissen oder zu ahnen. „Um so besser“ dachte sich Jochen. „Über diese Affäre deckt man am besten den Mantel des Schweigens“.

Die drei Damen, die sich herausgeputzt hatten als wären sie vom britischen Königshaus zu einer exklusiven Parforce-Jaged eingeladen worden, plazierten sich auf Jochens Kutsche und los ging die Fahrt von Malente-Gremsmühlen nach Dodau. Und die Stimmung war alles andere als schlecht... im Gegenteil. Auf Jochens Kutsche ging es zu wie auf einem Jahrmarkt. Die drei Damen lachten laut und redeten alle durcheinander. So wie bei einem Kaffeeklatsch, wenn sich drei Freundinnen Jahre lang nicht mehr gesehen hatten und alle zur gleichen Zeit redeten

Eine schicksalshafte Begegnung

Unterdessen war ein weiteres Kutschengespann unterwegs. Dieses Gespann wurde von drei Ponys gezogen und auf dem Kutschbock befanden sich ein älterer Herr sowie eine ältere Dame im schwarzen Gehrock und mit einer ebenso schwarzen Kopfbedeckung. Das waren Hannes, der treue Stallknecht vom Immenhof, sowie die Besitzerin vom Immenhof nämlich die Oma Jantzen. Die hatte heute noch einiges zu erledigen und Hannes sollte noch einige wichtige Besorgungen zu machen.

Die beiden Kutschen trafen sich mitten in der Rosenstraße in Malente. Allerdings war es Oma Jantzen nicht gerade rosig zumute als sie Jochen von Roth und seiner Kutsche mit den drei quietschenden und tratschenden Damen ansichtig wurde. „Ja kuck dir das an, Hannes“ ratschte Oma Jantzen gleich los.

„Kuck dir das nur an. Das ist doch dieser von Roth. Umgeben von einem ganzen Damenflor. Und wie die sich benehmen... als gehöre ihnen gleich die ganze Strasse.“ Die drei Damen waren allerdings ungewöhnlich munter und benahmen sich.... ja wie überhebliche Städter sich wohl so benehmen. Das schien Oma Jantzen in diesem Augenblick zu denken. Sie kniff den Mund fest zu und bemühte sich angestrengt ihr Gesicht abzuwenden, damit sie bloss nicht diesem von Roth und diesen drei lachenden Hetären hinten auf seiner Kutsche ins Angesicht sehen müsse.

Als Jochen die Oma Jantzen und Hannes sah, zog er höflich seinen Hut und rief „Ich wünsche ihnen einen wunderschönen Guten Morgen, Frau Jantzen“ hinüber. „Grummel, Brabbel....“ erklang es aus Oma Jantzens Richtung. Hannes hob jedoch seine Hand zum Grusse und räusperte sich zweimal. Oma Jantzen hatte natürlich verstanden was das Räuspern bedeuten sollte. Sie bemühte sich ein freundliches Gesicht zu machen und nickte Jochen und seinen Reitschülern angestrengt aber trotzdem freundlich zu.

„So ein Windhund“ zischte sie Hannes an als die beiden Kutschen aneinander vorbei gefahren waren. „So ein Windhund, dieser Herr von Roth. Das hätte ich nicht gedacht. Und gleich drei Frauen transportiert dieser Unhold ab... da kann doch nichts gutes dabei herauskommen...“ „Dat sinn ja nur Schüler vom Herrn Jochen“ beeilte sich Hannes zu sagen, aber für Oma Jantzen schien das Urteil bereits festzustehen.

Wer in aller Öffentlichkeit mit einer Kutsche voller quietschender Weibsleute in der Gegend herumfahre könne ja wohl nur ein Windhund und Tunichtgut sein. Und dann noch diese Geschichte mit der Damenunterwäsche, die Dick und Dalli in der Dodauer Scheune gefunden hatten! Damit war Jochen von Roth bei Oma Jantzen wohl entgültig in Ungnade gefallen... und dass dieser Zustand noch geraume Zeit dauern sollte, ahnte damals noch keine Menschenseele.
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Der Plakatkleber

Unterdessen schlenderten Dick und Dalli in Richtung Immenhof. Die Schule war zu Ende und die beiden hatten noch einiges vor. Vor allem wollte man ja Jochen's Reitschülern auf Dodau mal einen ordentlichen Schrecken einjagen. Etwa hundert Meter vor der Wegabzweigung zum Immenhof sahen die beiden einen jungen Mann, der irgendetwas an einem Telegrafenmasten befestigte. Das war der Telegrafenmast, an dem ansonsten die Werbe- und Veranstaltungsplakate hingen und der somit ein äusserst wichtiges Informationsmedium für den kleinen, verschlafenen Ort in der Holsteinischen Schweiz darstellte.

Neugierig näherten sich die beiden Mädels dem jungen Mann und blieben zunächst in respektvollem Abstand stehen, um sich die Szene näher anzuschauen. Der junge Mann war gross, schlank, blond und so um die 18 Jahre alt. Für Dick und Dalli zählte so jemand schon zu den Erwachsenen. Er kümmerte sich nicht um die beiden Mädels und bemühte sich ein grosses, gelbes Plakat am Telegrafenmasten anzubringen. Schliesslich war es geschafft. Der junge Kerl ging drei Meter zurück und betrachtete sich sein Werk. Das schien in Ordnung zu sein.

„Guck mal, Dickie“ sagte Dalli und wies in Richtung des grossen gelben Plakates. Auf dem sah man ein Clownsgesicht mit grosser roter Nase und darüber einen schön geschwungenen Schriftzug: „Zirkus Montini“. „Au backe, Dickie“ rief Dalli nun und ihre Stimme klang zitterig... so aufgeregt war sie. „Ein Zirkus kommt hierhin. Stell dir das vor... ein richtiger Zirkus.“

Nun drehte sich der junge Mann um und schaute den beiden kleinen Mädels entgegen. Anscheinend hatte er die beiden erst jetzt bemerkt. „Ihr habt wohl noch nie ein Zirkusplakat gesehen?“ fragte der junge Mann lakonisch. Dick und Dalli schüttelten den Kopf. Denn ein Zirkus war wirklich noch nie in der Gegend gewesen oder zumindestens schienen die beiden sich nicht mehr daran zu erinnern... vielleicht weil sie ja zu klein gewesen waren? Die beiden hatten die Münder weit aufgerissen und ein gemeinsames „Ooooooh“ und „Aaaaahhh“ deutete darauf hin, dass die beiden kleinen Mädels sich in allerhöchster Ekstase befanden.

Der junge Mann fing an zu lachen und dieses Lachen klang ein wenig spöttisch. „Habt ihr wirklich noch nie ein Zirkusplakat gesehen?“ fragte er. „Wart ihr denn noch nie in einer Zirkusvorstellung?“. Dick und Dalli schüttelten wieder den Kopf. „Na dann kommt doch am Sonntag in die Vorstellung. Der Zirkus Montini erwartet euch. Und bringt eure Freunde mit. Und eure Eltern. Wir haben Löwen und Pferde und eine Luftnummer.“ Der junge Mann rührte kräftig die Werbetrommel für „seinen“ Zirkus.

Dick und Dalli waren fest davon überzeugt, dass dem jungen Mann der Zirkus gehören müsse. Denn wenn man soviel Reklame macht dann muss einem so ein Zirkus ja wohl auch gehoren... sonst würde man ja keine Reklame machen. „Wir haben keine Eltern mehr“ rief Dalli nun. „Aber wir kommen garantiert. Wir bringen all unsre Freunde mit und unsere Oma.“ „Na prima“ entgegnete der junge Mann. „Ich verlass mich auf euch. Am Sonntag seid ihr in der Vorstellung.“

Alexander aus Russland

„Ich heiss übrigens Alexander“ sagte der junge Mann. „Und ich komme aus Russland... von der Wolga. Meine Mutter und ich arbeiten für den Zirkus Montini. Ich bin so eine Art Mädchen für alles. Aber sagt mal ihr zwei.....“... der junge Mann wies mit dem Arm in Richtung Immenhof. „Das ist aber ein schöner Besitz. Wisst ihr wem der gehört?“ „Der gehört uns“ ertönte es fast zeitgelich aus den beiden Mädchenkehlen. „Euch? So seht ihr auch aus.... ihr wollt euch wohl über mich lustig machen?“ antwortete Alexander, der junge Plakatankleber.

„Na ja... ist ja auch egal. Ihr seid ja noch nicht trocken hinter den Ohren“ meinte Alexander dann. Er stieg auf das Fahrrad, welches in Wirklichkeit ein Art Dreirad mit grossem, hölzernen Kofferraum war, und schob es auf die Strasse. „Dann macht es mal gut, ihr beiden“ rief Alexander. „Und am Sonntag seh ich euch in der Zirkusvorstellung.... ihr beiden Gutsbesitzerinnen.“ Dann fuhr er langsam davon, drehte sich noch einmal um... und wies mit der Hand wieder in Richtung Immenhof. „Und viel Spass auf eurem Landgut“ rief er noch einmal und lachte laut.

„Dalli, der hat uns nicht geglaubt, dass uns der Immenhof gehört“ meinte Dick zu ihrer Schwester. „Der ist doof. Und nass am Kopf sind wir auch nicht.“ Die Schwester nickte kurz und damit war dieses Thema abgeschlossen. Und nun stand das eigentlich wichtige Thema zur Debatte. Denn schliesslich war ein Zirkus in Malente-Gremsmühlen... und wenn das keine Sensation wäre dann gäbe es ja überhaupt keine Sensationen.

Die beiden beratschlagten nun was und wie zu tun sei. Nach dem Mittagessen würde man sofort Mans, den Sohn des Dorfschmiedes und bester Freund der beiden Mädels vom Immenhof, alarmieren. Und ausserdem müsse man bis heute abend recht lieb und brav zur Oma sein... damit diese möglichst schnell die blöde Geschichte mit der Schule vergessen würde... und den beiden erlauben würde am Sonntag in die Zirkusvorstellung zu gehen. Und dem fiesen Alexander aus Russland würde man nicht einmal „Guten Tag“ sagen weil der sich ja über die beiden Schwestern lustig gemacht hätte.
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Die Beichte

Unterdessen gingen auf Dodau die Vorbereitung für Jochen's allerersten Reitkurs voran. In einer Stunde würde es soweit sein. Jochen und Hein würden dann die ersten Reitschüler nämlich Herrn Kassubeck aus Bremen mitsamt Frau und deren Freundinnen empfangen. „Sie Käptn“ meinte Hein als er neben Jochen stand, der aufmerksam den Reitplatz begutachtete. „Sie Käptn, ick muss Sie wat beichten“. „Aha... eine Beichte“... antwortete Jochen schmunzelnd. „Ich bin zwar nicht der Pfarrer. Aber wenn es bei dir so brennt dann hör ich dich gern zu“.

Hein kratzte sich an seinen eher spärlichen Bartstoppeln und begann schliesslich langsam und behäbig zu erzählen. „Sie Käptn. Da wegen dem Dingens da im Stall....“ „Also du meinst das Stück Damenunterwäsche, welches Dick und Dalli in unserer Scheune gefunden haben?“ „Jooo Käptn. Die Mopstüte mein ick. Also dat war so, Käptn.....“

Nun erzählte Hein die wahre Geschichte. Er hätte nachts noch einmal einen kurzen Rundgang über den Hof gemacht. Und da hätte er aufeinmal seltsame Geräusche aus Richtung Scheune vernommen. Mit der Laterne in der Hand sei er dann in die Scheune gegangen. Und da habe er gesehen wie sich zwei Personen im Heu versteckten. Die eine Person sei ein Mann gewesen und könnte Herr Kassubeck aus Bremen gewesen sein.... und die andere Person sei weiblich gewesen... und hätte der Sabine Krause, also einer der neuen Reitschülerinnen, irgendwie sehr ähnlich gesehen.

Aber er, der Hein, hätte so getan als hätte er nichts bemerkt. Er sei ganz einfach pfeifend aus der Scheune gegangen und da hätte er Herrn Kassubeck's grosses, dickes Auto gesehen. Das sei hinten an der Hecke geparkt gewesen. „Na Hein.... da fällt mir ja ein Stein vom Herzen“ meinte Jochen schliesslich. „Ich dachte schon du und.....“ „Aber Käpnt. Ick doch nich. Ick bin doch ansteendig“ entgegenete Hein. „Unn mit ner Reitschülerin vunn Sie, Käptn.... neee... dat macht Hein Daddel doch nich.“

„So Hein. Du hast nichts gesehen, nichts gehört und weisst von überhaupt nichts“ meinte Jochen nun. „Das vergessen wir alles und tuen so als sei überhaupt nichts geschehen. Davon abgesehen wäre es sehr peinlich, wenn Frau Kassubeck dahinter käme, daß ihr Mann und diese Sabine Krause.... nein das geht uns nichts an, Hein. Wir reden nicht mehr drüber.“ Damit war dieser problematische Fall beendet.

Die einzigen, denen dieser Vorfall geschadet hatte, waren Dick und Dalli. Aber warum musste Dalli denn auch mit dem von ihr in der Scheune gefundenen Büstenhalter auf dem Schulhof herumtanzen? Das war doch mindestens so skandalös wie der Film mit Hildegard Knef im vorigen Jahr... wo der Paster von der Kanzel gewettert hätte „daß jeder der ins Kino ginge um diesen unanständigen Film zu schauen in die Hölle käme“. Und angeblich sei das halbe Dorf danach ins Kino gegangen, um diesen Film zu sehen... sogar Hannes, der Stallknecht... und der ging ja so gut wie nie ins Kino.

Der Zirkus kommt

Der Zirkus Montini befand sich immer noch auf der Landstraße in Richtung Holsteinische Schweiz. In Bad Schwartau hatte die letzte Vorstellung stattgefunden und nun ging es nach Malente. Der junge Mann mit Namen Alexander, den Dick und Dalli in der Nähe des Immenhofes beim Plakateankleben beobachtet hatten, näherte sich dem langen Tross. Dieser Zirkustross bestand aus etlichen von Traktoren und Zugmaschinen gezogenen Zirkuswagen und bewegte sich natürlich nur sehr langsam vorwärts. Alexander band sein Transportfahrrad an den Wagen des Zirkusdirektors und sprang dann auf den Wagen.

„Na Arkens... das hat aber lange gedauert“ maulte Herr Pinelli, seines Zeichens Direktor des traditionsreichen Montini-Wanderzirkus. Der dicke Herr Pinelli mit seinem schwarzen, dünnen Schnurrbart hatte den jungen Alexander damit beauftragt die Zirkusplakate überall in der Holsteinischen Schweiz anzubringen. Das war eine Heidenarbeit gewesen und Alexander war ziemlich erschöpft... und hungrig wie ein Löwe. Und für die Löwen sollte Alexander heute auch noch Fleisch besorgen.

Eigentlich war soviel Arbeit ja die reinste Ausbeutung... aber Alexander und seine Mutter, die vor einigen Jahren Russland verlassen mussten, scheuten auch die gröbsten Arbeiten nicht. Alexander's Vater war im zweiten Weltkrieg gefallen und Verwandte gab es nicht mehr. Aber beschweren taten die beiden sich nie. Also sollte Zirkusdirektor Pinelli doch recht zufrieden mit den beiden sein... und das war er in Wirklichkeit auch. Nur zeigte er dies höchst selten. Denn Herr Pinelli war meistens am schimpfen und egal was im Zirkus passierte... Herr Pinelli war nie so recht zufrieden.

Alexander's Mutter Olga Caroline Arkens arbeitete als Lehrerin, Näherin und Wahrsagerin hier im Zirkus Montini. Schliesslich brauchten die kleinen Kinder, die im Zirkus aufwuchsen, ja Unterricht und zu nähen war andauernd etwas. Und die Kunst des Wahrsagens und Hellsehens... ja das hatte Frau Olga im fernen, geheimnisvollen Russland erlernt.

Zirkusdirektor Pinelli liess den langen Tross nun anhalten. Am Wald wollte man eine zweistündige Pause einlegen.
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Die erste Reitstunde

Jochen von Roth und Hein Daddel standen bereits in freudiger Erwartung vor dem Pferdestall. Sie hielten die vier Reitpferde, die ihnen Bauer Bultjes zur Verfügung gestellt hatte, an den Zügeln. Die ersten Reitschüler, nämlich Frau Kassubeck und ihre beiden Freundinnen, waren bereits angekommen. Herr Kassubeck aus Bremen hatte kurzfristig abgesagt.

“Er hatte keine Zeit zum Reitunterricht, weil dringende und vor allem unerwartete Geschäfte ihn erwarten“ erklärte Frau Kassubeck den beiden Dodauern. Jochen und Hein verzogen bei dieser Mitteilung keine Miene, denn sie wussten nur allzu gut was der „wahre“ Grund für Herrn Kassubecks Abwesenheit war.

Frau Geheimrätin Elisabeth Göllnitz und Fräulein Sabine Krause, die beiden Freundinnen von Frau Kassubeck, konnten es anscheinend kaum abwarten, dass der Reitunterricht losginge. So nervös waren die zwei. Und Frau Kassubeck schaute aus als würde sie jeden Augenblick vor lauter Lampenfieber in Ohnmacht fallen.

„Nur Mut... ganz ruuhhiigg, meine Damen“ flüsterte Jochen halblaut. „Die Pferde beissen nicht. Die sind ganz zahm. Und schauen Sie doch einmal, wie sich die Pferde auf den Reitunterricht freuen. Die haben ihre Ohren angespitzt und scharren schon ungeduldig mit den Hufen“. Allerdings schien dies die Nervösität der drei Damen, kaum vertreiben zu wollen.

„Ach meine Damen. Drei so hübsche Reiterinnen haben diese Rösser doch noch nie getragen. Was glauben, wie ich beneidet werde, meine Damen. Wer hat denn schon so attraktive Reitschülerinnen. Meine Damen... niemand in der Holsteinischen Schweiz. Und das können Sie mir glauben“.

Na das zog aber! Die drei Damen näherten sich behutsam den Reitpferden und Jochen begann zu erklären, wie man ein Pferd ordnungsgemäß besteigen sollte. Mit tatkräftiger Hilfe von Jochen und Hein war es nach einigen Minunten dann tatsächlich geschafft. Jochen und Hein führten die Pferde mit ihren frischgebackenen Reiterinnen auf dem kleinen Reitplatz herum. Hein blinzelte seinem Käptn zweimal zu und das sollte soviel bedeuten wie „Jetzt hamass geschafft, Käptn. Dat Schip iss uff hoher See.“

Wackelpudding

Nach einer Viertelstunde war es dann soweit. Die drei Reiterinnen sollten die Pferde nun selbstständig im Parcours bewegen. Das klappte erstaunlich gut und Jochen war mit seinen drei Reitschülerinnen sehr zufrieden. Aber irgendetwas schien den guten Jochen zu irritieren. „Käptn dat wackelt aber bedenklich“ meinte Hein und kratzte sich am Hals. „Ick gloob ick mach gleich een Wackelpudding für die Damen“. „Hein, wo schaust du denn hin?“ fragte Jochen neugierig und verschlagen... denn er wusste nur allzugut wohin Hein andauernd schaute.

Fräulein Sabine Krause, eine der drei Reitschülerinnen, verfügte über ein erhebliches Mass an ungebremster Schwungmasse und sowas war durchaus angetan, die anwesenden Herren zu irritieren. Glücklicherweise waren nur zwei Herren anwesend... und auch noch zwei sehr nette... „Käptn, die Krause erinnert mich an die Nordseebrandung... und auf.. und ab....und auf... und ab...“

„Hein, ein Kavalier schaut da nicht hin“ ermahnte Jochen von Roth seinen Stallknecht. „Wenn's auch schwerfällt...“ fügte er schmunzelnd bei. Da hatte Jochen plötzlich einen ziemlich genialen Einfall. Er rannte ins Forsthaus und kurz darauf kam er mit Reitwesten und einem Fotoapparat zurück. „Meine Damen, bitte lächeln Sie recht fotogen in die Kamera und liebes Fräulein Krause, bitte ziehen Sie diese wunderschöne Reiterjacke an. Ich glaube nur Sie verfügen über die notwendige Eleganz um ein solches Schmuckstück tragen zu können“.

Die Damen lächelten freundlich in das Fotoobjektiv und dank Jochens genialem Einfall gab es auch keinen reitenden Wackelpudding mehr. Wär ja nicht auszudenken gewesen wenn die Jansens gerade vorbeigekommen wäre... hatte sich Jochen wohl gedacht.

„Und jetzt gibt es theoretischen Unterricht, meine Damen“ rief Jochen und klatschte in die Hände. „Das ist hier wie bei der Fahrschule. Wir werden etwas über die richtige Pferdepflege lernen und einige Ihrer Körperteile werden dankbar für die kleine Verschnaufpause sein“. „Der Wackelpudding“ raunte Hein. „Nein die Ä...sche, du Rindvieh“ antwortete der und klatschte erneut in die Hände. Jochen machte ein sehr zufriedenes Gesicht und rieb sich dann ebenso zufrieden die Hände. Die Jochen von Roth'sche Reitschule schien prächtig zu laufen. Nun bräuchte man höchstens noch einen zugkräftigen Namen.
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Die härteste Schlacht

Zur gleichen Zeit auf dem Immenhof: Dick und Dalli hatten es noch keineswegs geschafft ihre Oma von der dringenden Notwendigkeit eines Zirkusbesuches zu überzeugen. Denn dass ein Zirkus im Ort war... das hatte sich mittlerweilen überall wie ein Lauffeuer verbreitet. Und übermorgen war die erste Vorstellung. Und viel Zeit, um die Oma zu überzeugen blieb auch nicht mehr. „Höchstens noch ein Tag“... dachten sich Dick und Dalli.

Alle Versprechungen wie „von nun ganz brav zu sein“ oder „doppelt so fleissig wie sonst mitzuhelfen“ oder „bei den Hausaufgaben nicht mehr trödeln“ schienen nicht zu fruchten. Oma Jantzen war immer noch sauer über die Eskapaden, die sich Dick und Dalli in der Schule geleistet hatten und über den „blauen Brief“ vom Schulrektor. Und da schien ein Zirkusbesuch aus erzieherischen Gründen überhaupt nicht angebracht zu sein.

Aber auch bei noch so verloren geglaubten Schlachten kann sich das Kriegsglück plotzlich schlagartig wenden. Und dieses Kriegsglück kam in Form des Tierarztes Dr. Pudlich, der am späten Nachmittag auf dem Immenhof eintrudelte. Seit 5 Uhr sei er schon auf den Beinen gewesen - erzählte er der Oma Jantzen und den beiden Schwestern. Irgendjemand müsse sich ja um die alten Kamele kümmern. „Aber Puuuudlichh... mit den Kamelen meinen Sie doch nicht unsere Bauern?“ meinte Oma Jantzen mit leicht gespielter Empörung.

„Nid die Bauern, verehrte Frau Henriette... Hihihi... dat sinn richtige Kamele.... ich mein nich die Bauern... ich mein die Zirkuskamele.... Hihihi... wissen se ned dat ein Zirkus hier iss, liebste Frau Henriette?“ Oma Jantzen riss die Augen weit auf und spielte die Unwissende. „Nein wirklich, Herr Dr. Pudlich. Das ist ja kaum zu glauben. Ein richtiger Zirkus? Mit richtigen Kamelen? Ja da sind Sie ja der Richtige.“

„Hihihi... dat is wahr, verehrte Henriette... Hihihi... ich bin ja och so ein olles Kamel. Awwa wollt ihr denn ned mit in die Zirkusvorstellung jehen?“ antwortete Dr. Pudlich. Dalli verdrehte daraufhin ihre Augen dermassen, dass es einem Angst und Bange werden konnte. Dann fiel sie Hals über Kopf dem Dr. Pudlich um den Hals und drückte vor lauter Begeisterung so fest zu, daß dem Doktor für einige kurze Momente die Luft ausblieb und er einen leichten Hustenanfall erlitt. „Nid so stürmisch... Hihihi... ihr könnt dat wohl kaum erwarten.... Hihihi... awwa am Samstag gehen mal hin“.

Jetzt ist guter Rat teuer

„Aber nur wenn die Oma erlaubt“ wandte Dick kritisch ein schon dabei ihre Unterlippe über ihre Oberlippe. Und jeder der Dick kannte wusste was das bedeutete. Dick war mit irgendetwas unzufrieden.... ja sogar sehr sehr unzufrieden. Und der Grund ließ auch nicht lange auf sich warten. „Pudlich!! Das kommt ja überhaupt nicht in Frage. Überhaupt nicht!! Da bleib ich standhaft“ krächzte Oma Jantzen mit schriller Stimme. „Wissen Sie was die beiden in der Schule angestellt haben?“

Oma Jantzen ließ es nicht bei dieser Frage bewenden, sondern erzählte in einem kaum noch zu bremsenden Redefluß die ach so traurige Geschichte vom.... Stück Damenunterwäsche, welches Dick und Dalli in Jochens Scheune in Dodau gefunden hatten. Und dann seien die beiden während der Schulpause mit besagter Sache auf dem Schulhof herumgerannt und hätten es jedem gezeigt... und sowas gehöre sich nun wirklich nicht.

Außerdem hätte die Dorfschul-Lehrerin Fräulein Schrägge und Schulrektor Kuhlenbusch dann auch noch angedeutet, daß die beiden Mädels eventuell schlecht erzogen wären und sowas würde keine Oma und keine Mutter auf der Welt (denn schließlich sei sie, die Oma Jantzen, ja Ersatzmutter für beiden!) so auf sich beruhen lassen. Nein wirklich nicht. Und mit einem Zirkusbesuch sei es damit Essig weil Strafe schliesslich sein muß. Denn man sei ja hier nicht bei den Hottentotten.

Guter Rat war nun teuer, die Lage schien aussichtslos zu sein und die einmalige Chance mindestens ein- oder zwemal im Leben einer richtigen Zirkusvorstellung beigewohnt zu haben, schien abrupt vorbei zu sein. Ja das Leben ist manchmal hart. „Sie hann ja Recht, liebe Frau Henriette“ sagte Dr. Pudlich nun. „Dat Dick unn dat Dalli hann een Straf verdient. Unn zwar een heftige Straf.“ Frau Henriette Jantzen nickte daraufhin zustimmend mit dem Kopf: „Sehen Sie, Herr Doktor. Ich habe immer Recht.“ Triumphierend erhob die Oma das Haupt.

„Morjen hol ich et Dick unn et Dalli mit in den Zirkus. Unn da müsse die mithelfe die Kamele unn die Zirkuspferde zu füttern unn zu flejen. Ich red mal mitm Zirkusdirektor. Die beiden hann e Straf verdient, Frau Henriette“. Die beiden Schwestern brachen in triumphierende Jubelgesänge aus und tanzten wild in der Küche herum. Allerdings schien Oma Jantzen für einen kurzen Augenblick wie versteinert. Nach einigen Sekunden fing sie allerdings an zu lachen: „Pudlich.. also Puuuudlichh.. sie sind mir ja einer... ja was soll ich denn da noch sagen?“

Natürlich sollte die Oma nichts mehr sagen und natürlich hatte Dr. Pudlich die Oma gründlich hereingelegt und natürlich ging es am Sonntag mit der ganzen Familie in den Zirkus. Die Begeisterung schien nun fast grenzenlos zu sein.
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Am Tag als der Zirkus kam...

Jochen und Hein lieferten ihr Damenkränzchen gegen 18 Uhr schliesslich wieder im Hotel Seeblick ab. „Hein, in Zukunft werden wir unsere Reitschüler auf Dodau unterbringen. Oder in der Nähe. Da werden wir uns was ausdenken.“ meinte Jochen zu seinem neuen Stallknecht. „Und wie wäre es denn wir mit den Reitschülern am Sonntagnachmittag in den Zirkus gehen?“ „Ay ay Käptn. Die Mannschaft hat am Sonntag Landgang“ erwiderte Hein Daddel.

„Und wie ich dich kenne, Hein, ist bei dir heute abend wieder Seegang“ meinte Jochen trocken... und damit hatte er wie immer recht. Denn heute war ja Hein's Skatabend im Dorfkrug und nach dieser schrecklichen Tortur hatte Hein fürgewöhnlich mit erheblichen, Getränke-Ausschank-bedingten Gleichgewichtsstörungen zu kämpfen.

Bei den beiden Mädels auf Immenhof herrschte unterdessen eitel Freude. In einem richtigen Zirkus Strafarbeiten zu machen war ja etwas ganz anderes als in der Schule Nachsitzen oder Strafarbeiten zu machen. „Du Dickie, wenn wir den Pudlich nicht hätten... was würden wir denn dann machen?“ meinte Dalli, während sie rückling in ihrem Bettchen liegend die Zimmerdecke anstarrte.

„Dann würden wir nach Amerika abhauen und die Oma und Angela würden uns dann überall suchen... und tagelang herum flennen. Und dem Pudlich würden wir eine Ansichtskarte schreiben“. Da hatte Dickie zweifellos einen guten Vorschlag gemacht und Dalli starrte weitherhin lächelnd die Zimmerdecke an. Keine zwei Minuten später war sie friedlich eingeschlummert.

Am nächsten Tag in der Schule ging es hoch her. Dick und Dalli beeilten sich jedem, der es wissen wollte und auch jedem den dies nicht interessierte, die spannenden Neuigkeiten zu erzählen. Von wegen dem Dr. Pudlich, der ja Tierarzt war und die Tiere im Zirkus Montini untersuchte... und daß man den Dr. Pudlich in den Zirkus begleiten würde und aufgrund einer Belohnung (weil die beiden nämlich so brav und lieb zur Oma gewesen seien) die Tiere füttern und waschen dürfte. Und man würde auch mal auf dem grossen Elefanten reiten und den Tigerkäfig reinigen.

„Die haben überhaupt keinen Tiger, Dalli“ maulte Mans. Das schien die beiden entfesselten Schwestern aber nicht sonderlich interessieren. Denn Dalli erzählte gerade etwas von einer 10m langen Riesenschlange, vermutlich eine Königskobra-Python aus Südbrasilien, die sie sich um den Hals legen wollte und mit dieser Königspythonkobra dann auf dem Seil tanzen würde. Und um die 30 Kamele würde man sich auch kümmern genauso wie um die 50 Reitpferde, Lipizzaner, Ponies, Araberhengste und allem anderen Hufgetier, das ein Zirkus so mit sich führe.

„So viele Pferde haben die nicht, Dalli. Und nur 2 Kamele“ maulte Mans erneut und diesmal wurde es Dalli dann doch zu bunt. „Wirst schon sehen... und sag nicht ich würde lügen“ herrschte sie den Sohn des Dorfschmiedes an. „Aber ich habe doch nicht gesagt, daß du lügst. Die haben bloss nicht soviele Tiere als wie du erzählst“ versuchte sich Mans zu verteidigen. Aber das war vollkommen sinnlos und so liess er es sein. Allzumal die Menge von Zirkusgetier, um das sich Dick und Dalli angeblich kümmern sollten oder mußten, mittlerweilen schon zwei Arche Noah's füllte.

Der Schulunterricht war schliesslich beendet... und der schien den beiden Schwestern heute geradezu unendlich lange gewesen zu sein. Schneller als der Blitz waren die beiden mit ihrem Ponywagen in Richtung der Pudlich'schen Tierarztpraxis verschwunden. Der erwartete die beiden schon und zusammen ging es dann ab in Richtung Zirkus.

Der Zirkus Montini hatte sich auf dem grossen Feld rechts neben der Bahnhofstrasse breit gemacht. Ein grosses, rundes rot-weiss gestreiftes Zelt war mittlerweilen aufgebaut waren. Um ihn herum standen einige kleinere Zelte und viele, viele Zirkuswagen. Wie eine Wagenburg sah das ganze aus. Und nur wenige Auserwählte konnten diese Zirkus-Wagenburg überhaupt betreten... und zu diesen Auserwählten zählte natürlich Tierarzt Dr. Pudlich und seine beiden Begleiterinnen.

Ich bin der Herr Direktor

Dr. Pudlich klopfte zweimal fest an die Tür eines gelb gestrichenen Zirkuswagens. Dann nochmal. Die Tür öffnete sich und ein dicker, in einen schwarzen Anzug gekleideter Herr mit Schnurrbart, war zu sehen. En riesiger Zylinder thronte auf dem weitgehend haarfreien Haupt dieses Herren. Dr. Pudlich gab ihm die Hand und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Aha“ sprach der Herr nun und reichte den beiden Schwestern die Hand. „Guten Tag. Ich bin der Herr Direktor.“

„Oooooohhhooo....“ entfuhr es Dalli als sie dem Herren die Hand schüttelte. Nicht nur, dass der eine Riesenpranke hatte... der war auch mindestens doppelt so groß und dreimal so schwer wie Dalli. Und vor allem war der ein richtiger Zirkusdirektor und sowas hatten weder Dick noch Dalli jemals in ihrem Leben gesehen. „Und ihr wollt euch also in meinem Zirkus nützlich machen?“ sprach der Herr Zirkusdirektor und die beiden Schwestern nickten eifrig. „Na dann. Geht mal zu Fräulein Nora. Klopft an die Tür....“. Der Direktor wies mit der Hand auf einen bunt angemalten Zirkuswagen, vor dem zwei Pferde angebunden waren.

Der Zirkusdirektor und Dr. Pudlich entschwanden nun, um sich um andere Dinge zu kümmern. Dick und Dalli liefen zu dem bunt bemalten Zirkuswagen. Ein Rappen und ein Fuchs standen vor besagtem Wagen und auf dem Boden lag etliches an glänzendem Reitgeschirr. „Nora Montalban. Kunstreiterin“ war an der Tür zu lesen. Dick klopfte an besagte Tür ... kurz darauf öffnete sich die Tür und Dalli schienen ein zweites Mal die Augen aus dem Kopf fallen zu wollen.

Eine elegante, sehr schöne Frau im bunt-schillernden Torero-Kostüm und mit einem riesigen Cowboyhut trat aus dem Zirkuswagen. Das lang gedehnte „Oooohhooo“, welches Dalli nun ein zweites Mal von sich gab, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß für die beiden Schwestern heute Weihnachten, Neujahr, Geburtstag und Erntedankfest auf den gleichen Tag gefallen waren.

„Na wer seid ihr denn?“ fragte die elegante Frau im Torero-Kostüm. „Ach ja... hat euch vielleicht der Herr Pinelli geschickt, um mir zu helfen?“ Dick nickte eifrig... denn der Herr Pinelli konnte ja wohl nur der stattliche Zirkusdirektor im schwarzen Frack gewesen sein.

„Na dann fasst mal mit an“ ermutigte Nora die beiden Schwestern. „Ihr könnt ruhig Nora zu mir sagen. Und wer seid ihr?“ Die beiden Schwestern machten einen höflichen Knicks und stellten sich als Barbara und Brigitte Voss vom Immenhof vor. Sie könne aber auch Dick und Dalli zu den beiden sagen... aber nur wenn sie unbedingt wolle. Und außerdem kämen sie von einem Ponyhof und hätten jede Menge Ahnung von Pferden und Ponys. Und den Mist würden sie auch wegräumen... und Angst sich dreckig zu machen hätten die beiden überhaupt nicht.

Schliesslich rammte Dick ihrer kleineren Schwester den linken Unterarm in die Seite... denn die redete wie ein Wasserfall und ließ das Fräulein Nora gar nicht mehr zu Worte kommen. Doch besagtes Fräulein Nora lächelte die beiden an und hörte aufmerksam zu. Anscheinend schienen ihr die beiden kleinen Ponymädchen recht gut zu gefallen. „Dann wollen wir mal anfangen“ meinte Nora, die Kunstreiterin, nun. „Pedro und Bonita müssen für die Zirkusprobe vorbereitet werden.“ Pedro und Bonita waren wohl die beiden Pferde, die da vor dem Zirkuswagen standen.

Und all das schillernde Reitgeschirr und die bunten Bänder mussten den beiden Reittieren um- oder angelegt werden. Denn schliesslich waren das ja richtige Zirkuspferde und keine plumpen Ackergäule... so wie die Gäule vom Bauer Bartlich. Die beiden Schwestern kannten sich natürlich aus und wußten sehr genau wie man so ein Zirkuspferd richtig sattelt. Denn auch ein Zirkuspferd ist ja nur ein Pferd. Einige Minuten waren vergangen... und die beiden Zirkuspferde waren perfekt gesattelt, geschniegelt und gebügelt... ja sogar die bunten Bändchen und den Kopfschmuck hatten Dick und Dalli sehr geschickt dort angebracht wo sie auch hingehörten.

Nora Montalban, die Kunstreiterin, war sehr sehr zufrieden mit ihren beiden Schützlingen. „In 10 Minuten ist Zirkusprobe. Wollt ihr zuschauen?“ fragte Nora. Das war aber auch eine dumme Frage.... natürlich wollten die beiden Mädels bei der Zirkusprobe zuschauen. Aber zunächst wollte man mal über das Zirkusgelände streifen und sich die Tiere anschauen.

„Du Dalli. Kick mal da... kommt der dir bekannt vor?“... Dick zeigte mit der Hand in Richtung eines jungen Mannes, der eine Schubkarre mit einem grossen Heuballen vor sich herschob. „Den haben wir doch beim Plakate ankleben gesehen... „Iiiigitt...“ erwiderte Dalli. „Das ist doch der eklige Kerl wo uns nicht glaubt, daß uns der Immenhof gehört?“ Und tatsächlich... das war besagter junger Plakateankleber. „Aläxanderr.... Aläxandääääärrrr“ erschallte es von irgendwo her.
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Dümmer wie ein Pony....

Der junge Mann verschwand kurz darauf in einem Zirkuswagen. „Komm Dickie. Da müssen wir rasch hin“ meinte Dalli und war auch schon unterwegs. Natürlich wollten die beiden wissen wohin dieser komische Plakateankleber Alexander verschwunden war. Er war in einen bunten Zirkuswagen eingestiegen. Dick und Dalli standen vor dem Wagen und lasen die Aufschrift: „Olga Arkensowa – Wahrsagerin“ stand da in grossen, fremdartig wirkenden Buchstaben.

„Oooooh Dickie... eine richtige Wahrsagerin“ sagte Dalli. „Komm Dalli. Das ist mir hier zu unheimlich. Ich hab ein bisschen Angst“ entgegnete die Schwester. „Da spukt es doch bestimmt. Die machen doch so komische Sachen die Wahrsagerinnen. Ich glaube die haben Fledermäuse und schwarze Katzen und....“

„Och du spinnst ja Dickie. Du hast ja immer Angst. Du bist ein richtiger Angsthase“ entgegnete die Schwester. „Die haben Karten und die legen die auf den Tisch. Genau wie die Oma wenn sie abends Paschonz spielt und wenn Sie sich selbst die Karten auf den Tisch legt und....“ „Dalli, das heisst Patience. Und ich bin auch kein Angsthase. Und die Oma liest auch keine Karten sondern legt sich Figuren. Ach Dalli...“

Dick schaute ihre Schwester etwas von der Seite und etwas von oben an. „Man hat es aber nicht leicht mir ihr“ dachte sich Dickie wohl und wahrscheinlich dachte sie auch folgendes „Wenn die mich nicht hätte dann wär die doch glatt verloren“ sowie „Immer muss ich auf die aufpassen sonst macht die doch schon wieder eine Dummheit“. Und mit Sicherheit dachte Dickie auch folgendes: „Und wenn ich sie nicht festhalten würde dann würde die dumme Kuh doch glatt in den Zirkuswagen reinsteigen und niemand würde sie jemals mehr finden.“ „Weisst du was, Dalli“ ereiferte sich die Schwester schließlich. „Du bist dümmer als ein Pony“. Das war natürlich starker Tobak, denn Ponys sind bekanntlich überhaupt nicht dumm.

Obwohl der Zirkuswagen dieser Wahrsagerin sehr interessant zu sein schien, beschlossen die beiden Schwestern in Richtung Zirkuszelt zu gehen. Denn schließlich wollten sie ja der Kunstreiterin Nora Montalban beim Üben zuschauen und da könne man sich ja doch manchmal abgucken... und vor allem könne man danach den Freunden dann wahnsinnig was vorreiten. Und der Mans der würde ganz schön dumm aus der Wäsche schauen.

„Kiek mal, Dalli. Da drüben...“... Dick wies mit der Hand auf ein freies Plätzchen. Da standen Ponies und richtige grosse Pferde, ein Zirkusarbeiter war dabei die Ponies und Pferde zu schmücken. Zirkusdirektor Pinelli und Dr. Pudlich standen dabei und unterhielten sich. Dr. Pudlich winkte mit dem Finger und zeigte auf die Pferde.

Dann machte er eine Handbewegung, die nur folgendes bedeuten konnte: „Ihr beiden sollt jetzt die Pferde striegeln“. Das taten die beiden dann. Und schnell stellte es sich heraus, dass diese Pferde zur Zirkusdressurnummer gehörte, die von Zirkusdirektor Pinelli höchstpersönlich vorgeführt wurde.

Hereinspaziert!

Direktor Pinelli hielt eine Peitsche in der Hand und sah in seinem schwarzen Frack und dem schwarzen Zylinder richtig vornehm aus. Dann knallte er mit der Peitsche zweimal auf den Boden, sehr eng an den beiden kleinen Schwestern vom Immenhof vorbei. „Auf geht's. Ihr beiden bringt jetzt die Pferde in die Zirkusarena“. Dick und Dalli klemmten sich gleich mehrere Zügel unter die Arme und folgten dem Zirkusdirektor ins Zelt, welches von einem in eine rote Zirkusunform gekleideten Zirkusdiener weit offen gehalten wurden.

Und schon waren die beiden Schwestern im Zelt... und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine Musikkapelle, die aus vier Musikern bestand, hatte sich auf einer Loge oberhalb des Eingangs plaziert. Es roch nach Leder, Heu, Holz und vor allem nach allen möglichen Tieren. Der Boden der Arena war mit Holzspänen belegt und am Rande der Zirkusarena standen einige Artisten. Alle waren in bunte Gewänder gekleidet und man unterhielt sich angestrengt. Wahrscheinlich waren die dabei ihre neuesten Kunststücke abzusprechen.

„Oooooh Dickie“ meinte die jüngere Schwester zur Alten. „Ist das schön. Sowas schönes hab ich in meinem Leben noch nie gesehen“. Auch die ältere Schwester schien sehr beeindruckt zu sein und blickte im weiten Rund um sich. Dann zog sie ihre Jacke aus und legte sich diese um den Hals.„Tourikikakadou Kakadi....:“ ertönte es plötzlich von rechts. Da kam irgendetwas auf Dick zugehopst. Dieses irgendwas war ein Clown, der sehr klein gewachsen war und sich ähnlich wie ein Kaninchen voranbewegte. Der Clown klaute der armen Dick ihre hübsche Jacke und hopste damit in der Zirkusmanege herum... wobei der die seltsamsten Töne von sich gab.

Aber nicht lange... denn Zirkusdirektor Pinelli krabschte sich den kleinen Clown und hielt ihn mit einer Hand über dem Boden fest. Donnerwetter... was hatte dieser Herr Pinelli Bärenkräfte. „So Nico. Jetzt gibt's du der jungen Dame ihre Jacke zurück und entschuldigst dich bei ihr“. „Ja ja... Nico entschuldigt sich“ erwiderte das am starken Arm des Direktors herumzappelnde Clownsbündel.

„Nico entschuldigt sich. Nico ist gaaaaaannnz lieb.“ Der kleine Kerl sprang auf Dick zu, hüpfte dreimal um sie herum und lag ihr dann die Jacke um die Schulter. Dalli hatte sich die ganze Szene angeschaut und kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. „Ach ist das lustig hier, Dickie. Ich wollte es wäre immer Zirkus.“
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