Weihnachten auf Immenhof (Teil 1 bis 5)

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Ethelbert©
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Weihnachten auf Immenhof (Teil 1 bis 5)

Beitrag von Ethelbert© »

Weihnachten auf Immenhof (TEIL 1)

- 24. Dezember 1955 -

„Nun mach endlich“ rief Dalli während sie ungeduldig im Hausflur herumhüpfte. „Eine schreckliche Schwester hab ich mir da angeschafft“. Oma Jantzen beobachtete die Szene während sie sich ihren Dutt zurecht machte. „Deine Schwester ist jetzt bald eine junge Dame“ meinte die Oma. „Und wenn schon. Deswegen muss sie nicht eine halbe Stunde vor dem Spiegel rumstehen und sich kämmen“.

Dalli hüpfte weiter im Hausflur herum. „Draussen wartet Hein mit dem Ponyschlitten aber Mamsell Dick ist wohl noch nicht fein genug“. Dalli hüpfte mit dem anderen Bein weiter. „Wir kommen noch zu spät zum Bahnhof. Es ist bereits kurz vor acht“.

Der Immenhof war tief verschneit und die Eiszapfen am Scheunendach blinkten in der Sonne. Dalli öffnete die Tür und blickte hinaus zu Hein Daddel, der mit dem Ponyschlitten bereits wartete. „Nat watt iss denn jetz?“ rief Hein.“Meine Schwester ist noch nicht fein genug“ rief Dalli. Hein Daddel lachte etwas heiser. „Dat is halt een feines Mädelken. Keen so'n Wildfang wie du“.

Da erschien Dick, in ein langes elegantes Kleid gehüllt, mit Oma's brauner Pelzstola und einer hollywoodreifen Kopfbedeckung. „Ha ha ... wie siehst du denn aus? Wir sind doch nicht zu einer Hochzeit eingeladen“. Dalli zog sich Opa's alte Lammfelljacke über ihren Pullover. „Ja Kind“ sagte die Oma „da hast du dich aber fein gemacht für unseren Besuch.“ Dick lächelte etwas verlegen. „Ich hab mich ja nur fein gemacht weil heute Heiligabend ist“ erwiderte Dick. „Ha ha...“ Dalli lachte laut auf. „Ja nur weil heute Heiligabend ist... Ha ha!“.

Die beiden Schwestern stiegen in den Schlitten. Dick legte sich eine Decke über die Beine und ergriff die Zügel. „Hü Wallhalla! Hü Rieke! Los geht's!“ Die beiden Ponys trabten los und der Schlitten setzte sich langsam und schlingernd in Bewegung. „Na mach schon“ sagte Dalli „wir werden noch zu spät zum Bahnhof kommen.“ „Wir haben noch Zeit“ meinte Dickie „der Zug mit Ethelbert kommt erst um dreiviertel Neun“.

„Kannst du den Schlitten überhaupt fahren?“ fragte Dalli ihre Schwester. „Na klar. Wer eine Ponykutsche fahren kann der kann auch einen Ponyschlitten fahren“ entgegnete Dick. „Na wenn das nur mal gut geht. Wenn der Ethelbert den Schlitten fahren würde dann lägen wir schon längst tot im Strassengraben“. Die beiden Schwestern brachen in lautes Lachen aus während der Schlitten langsam und beschaulich durch die wunderschöne tiefweisse Landschaft der Holsteinischen Schweiz fuhr, vorbei an den vereisten Seen und vorbei an schneebedeckten Äckern und Wäldern.
Zuletzt geändert von Ethelbert© am Sa 17.Dez.2005 17:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Weihnachten auf Immenhof “die Brücke zwischen Teil 1 und

Beitrag von Ethelbert© »

Weihnachten auf Immenhof (TEIL 2)

Endlich waren sie am Bahnhof angekommen. Der Zug mit Ethelbert war schon eingefahren und eine riesige weisse Dampfwolke lag über den Gleisen. Die Dampflok schnaufte laut und die meisten Zugreisenden waren wohl schon ausgestiegen. „Nun aber rasch, Dickie“ rief Dalli ihrer Schwester zu und sprang vom Schlitten. Die beiden Mädels liefen aufgeregt über den Bahnsteig und schauten neugierig in allen Richtungen.

„Wo ist Ethelbert denn?“ Dick blickte ihre Schwester ratlos an. Ethelbert war nirgends zu erblicken. „Er müsste doch im Zug gewesen sein“. Dalli sprang in den ersten Wagon, Dick in den zweiten doch kein Ethelbert war zu finden. „E-T-H-E-L-B-E-R-T!!!!“ ... Dalli rief so laut sie konnte und Dick lief über die Gleise um Ethelbert zu suchen. „Vielleicht ist er in Kiel ausgestiegen um Geschenke zu kaufen“ meine Dalli. „Oder er hat sich auf dem Bahnhof verlaufen. Wahrscheinlich wird er dann heute nachmittag mit dem Bus nachkommen“ erwiderte Dick mit dennoch leicht tränenerstickter Stimme.

„Alles Einsteigen“ ... rief der Bahnhofsvorsteher. „Abfahrt nach Lübeck - alles einsteigen!!“. Die Dampflok schnaufte und puffte immer lauter und der Zug fuhr an.

Mittlerweilen leerte sich der Bahnhofssteig. Nur ein älteres Ehepaar und ein etwas heruntergekommen wirkender Mann waren übrig geblieben. Der Mann trug einem langen dunklen zerschlissenen Mantel, eine tiefe Kapuze und hatte eine langen kräftigen schwarzen Bart, offenbar war es ein Landstreicher auf Quartiersuche. Schliesslich gab es da noch Bahnhofsvorsteher Möbius mit seiner blauen Bahnhofsvorsteherjacke, seiner roten Bahnhofsvorstehermütze und seiner silbernen Bahnhofsvorsteherspfeife.

Der Landstreicher verliess den Bahnhofssteig und Dalli erkundigte sich bei Bahnhofsvorsteher Möbius ob er unter den Zugreisenden nicht einen ca. 16 jährigen Jungen mit dunkelblondem Lockenschopf gesehe habe. „Nein das habe ich nicht. Der wär mir bestimmt aufgefallen“.

Die beiden Mädels bestiegen den Ponyschlitten und machten sich auf nach Hause zum Immenhof. Der Landstreicher im dunklen Mantel, den die beiden Mädels auf dem Bahnhof gesehen hatten, stapfte vor ihnen durch den Schnee. Irgendetwas schien er unter dem Arm zu tragen.

„Sollen wir den armen Kerl nicht mitnehmen? Er hat bestimmt einen weiten Weg.“ sagte Dick zu ihrer Schwester. „Schliesslich ist Weihnachten und wir sollten nett zu den Leuten sein“. Dalli zog eine Schnute., „Ihh bewahre. Der hat doch bestimmt Flöhe“. Doch Dick hielt den Schlitten an und fragte den Mann ob er mitfahren wolle. Der Mann im schwarzen zerschlissenen Mantel schüttelte den Kopf und blickte die beiden Schwestern dabei nicht einmal an. Er stapfte weiter durch den Schnee

„Das ist aber ein komischer Kerl“ sagte Dalli. Dick zuckte mit den Schultern und straffte die Zügel. Der Ponyschlitten setzte sich wieder in Bewegung.
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Re: Weihnachten auf Immenhof “die Brücke zwischen Teil 1 und

Beitrag von Ethelbert© »

Weihnachten auf Immenhof (TEIL 3)

Dass Dick und Dalli mit einem Ponyschlitten unterwegs war hatte sich mittlerweilen wie ein Lauffeuer unter den Kindern des Ortes verbreitet. So einen Ponyschlitten sieht man ja auch nicht alle Tage und da muss man doch glatt mitfahren - allzumal Dorfschullehrer Lütjens allen Kindern schneefrei gegeben hatte. Eine ganze Kindertraube lief vor, hinter und neben Dick und Dalli's Ponyschlitten her.

Dalli sprang unterwegs vom Schlitten und warf Schneebälle auf ihre Schwester. Der war aber gar nicht zum Schneeballwerfen zumute. Dafür aber den Kindern! Und schon hatte Dickie einen Volltreffer erhalten welcher ihrer wunderbaren hollywoodreifen Kopfbedeckung arg zusetzte. „Na warte“ rief Dick, sprang vom Schlitten und stürzte sich auf den Schneeballwerfer. Und schon tobte die wildeste Schneeballschlacht welche die Holsteinische Schweiz bis dato erlebt hatte.

„Komm wir fahren zu Mans“ rief Dalli. „Wir haben Oma doch versprochen ihr mit der Weihnachtsgans zu helfen“ meine Dick. „Ach was. Die Weihnachtsgans kann warten. Dafür hat Oma doch Jochen und Angela“. Dalli ergriff die Zügel und trieb die beiden Ponys an. Die Kinderschar lief mit und die mutigsten versuchten sich auf den Kufen des Ponyschlittens zu halten.

Mans stand bereits vor der alten Schmiede denn der Lärm der sich nähernden Kinderschar war nicht zu überhören. „Wo habt ihr denn den Ethelbert gelassen?“ fragte Mans. „Der hat entweder den Anschlusszug verpasst oder ist unterwegs aus dem Zug gefallen“ meinte Dalli. „Dann müssen wir sofort ein Suchkommando organisieren“ meinte Mans. „Ethelbert kommt bestimmt heute nachmittag mit dem Bus nach“ sagte Dick.

Daraufhin stellte sich Mans vor den Ponyschlitten, verschränkte die Arme und setzte seinen intelligentesten und fachmännischsten Kennerblick auf. Er musterte den Ponyschlitten von allen Seiten. „Tolles Modell. Beste Vorkriegsware aus Nordlappland. Sicherlich ein Renntierschlitten“ meinte Mans im Brustton der Überzeugung. „Den hat Opa nach dem Krieg selbst gebaut“ sagte Dick. „Ausserdem heisst das Rentier und nicht Renntier“... die beiden Schwestern bogen sich vor lachen.

„Den muss ich jetzt ausprobieren“ meine Mans. „also los zum See!“. „Aber Oma wartet doch“ meinte Dick... doch zu spät. Sie war überstimmt und die Kinderschar samt Ponyschlitten lief zum See und jeder durfte eine Freifahrt mit dem Ponyschlitten an der Seeuferpromenade entlang machen. Darüber waren nun viele viele Stunden vergangen und die Ponys wollten auch nicht mehr so richtig... also ging es ab nach Hause. Der frühe Nachmittag war bereits angebrochen als Dick und Dalli endlich wieder auf dem Immenhof auftauchten. Jochen und Angela waren bereits angekommen.

Die Oma schlug die Hände über dem Kopf zusammen weil Ethelbert nicht gekommen war und die beiden Mädels aussahen als hätten sie mit den Wildschweinen um die Wette im Schlamm gebadet. „Ihr kostet mich noch den letzten Nerv“ seufzte die Oma. „Ach ihr zwei!“. Doch Dick und Dalli umarmten und knuffelten die Oma solange bis sie sich geschlagen gab.
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Re: Weihnachten auf Immenhof “die Brücke zwischen Teil 1 und

Beitrag von Ethelbert© »

Weihnachten auf Immenhof (TEIL 4)

Inzwischen war es 5 Uhr nachmittag geworden als plötzlich irgendjemand heftig an die Tür klopfte. Ein helles Glöckchen erklang von draussen. „Wer mag denn das sein?“ fragte die Oma. „Dr. Pudlich wollte doch erst in einer Stunde kommen. Ob es vielleicht Ehelbert ist?“ Dalli sprang zur Tür und riss sie auf. „Huuuh!“ schrie sie laut. „Wer seid ihr denn?“

Vor der Tür standen...... der Weihnachtsmann und Knecht Ruprecht. Aber was für ein imposanter Weihnachtsmann das war! In einer roten Robe stand er da mit einem langem weissen Bart und einem grossen dunkelbraunen prallen Sack und die Weihnachtsmannnase war so rot wie das Weihnachtskostüm. „Draussen...ähmmm...räusper... vom Lande ... äh.... vom Wald komm ich her und muss euch sagen es regnet ... ähmm.... weihnachtet sehr“ sagte der „Weihnachtsmann“ mit mühsam verstellter Stimme.

Die ganze Immenhof-Gesellschaft hatte sich mittlerweilen im Hausflur versammelt. Dalli knuffte ihrer Schwester in die Seite „Der Weihnachtsmann kommt mir aber bekannt vor“. „Das sind Hein und Dr. Pudlich“ erwiderte Dickie und die beiden Schwestern hielten sich die Hände vor den Mund um ihr Kichern zu unterdrücken. „Hein Daddel ist aber viel dicker als dieser Knecht Ruprecht und ausserdem sieht der aus wie der Landstreicher vom Bahnhof“.

„Ähmmm.... ward ihr auch alle brav?“ fragte der „Weihnachtsmann“. „Knecht Ruprecht, nimm einmal mein goldenes Büchlein und lies nach ob die Kinder auch alle brav waren“. Der „Knecht Ruprecht“ nahm ein Buch aus seinem Sack und gestikulierte dabei wild mit einer langen Reisigrute in der Gegend herum. Er schlug eine Seite im goldenen Buch auf und sprach mit sehr mühsam verstellter jugendlicher Stimme: „Weihnachtsmann, die Kinder waren nicht brav! Ich muss die Dalli verhauen. Die hat in der Schule nicht aufgepasst und einen braven Jungen aus der Großstadt geärgert.“

Sprach's und stürzte sich auf Dalli, hielt sie mit beiden Armen fest und der „Weihnachtsmann“ schlug kräftig mit der Reisigrute zu... zumindestens tat er so. Dalli quietschte vor Vergnügen, denn sie hatte rausgefunden wer hier als Knecht Ruprecht und Weihnachtsmann verkleidet sein Unwesen trieb. Und die versammelte Immenhof-Weihnachtsgesellschaft wohl auch, denn ein unverkennbarer Duft von Glühwein lag in der Luft.

Der Weihnachtsmann bückte sich um die Geschenke aus seinem Sack zu nehmen.... und schon fiel der schöne lange weisse Bart auf den Boden. Dr. Pudlich wollte ihn rasch aufheben doch die beiden Schwestern waren schneller, umklammerten ihn und rissen ihm die rote Stola vom Leib. Dann stürzten sie sich gemeinsam auf den „Knecht Ruprecht“ und schwupps war Ethelbert enttarnt. „Und dabei hab ich mir am Bahnhof so viel Mühe geben dass ihr mich nicht erkennt“ sagte Ethelbert etwas angesäuert. „Haben wir doch nicht“ riefen die beiden Schwestern im Gleichklang.

„Aber Knecht Ruprecht ist doch mit Nikolaus unterwegs und nicht mit dem Weihnachtsmann“ sagte ein gut gelaunter und sichtlich angesäuselter Jochen von Roth. „Ähmmm.... bei uns in der Großstadt ist das eben anders“ meinte Ethelbert zu Jochen. „Na auf den Schreck brauch ich erst mal ein Pülleken“ meinte nun Dr. Pudlich und erntete dafür einen lebhaften Applaus der versammelten Immenhof-Weihnachtsgesellschaft. Daraufhin begab man sich ins Wohnzimmer.

Klammheimlich hatten sich Ethelbert und Dickie währendessen zurückgezogen und Ethelbert wollte seiner Dickie einen ersten schüchternen Begrüssungkuss zu geben... als plötzlich eine helle Stimme im Hintergrund „AHA!“ rief. Dalli stellte sich mit gespreizten Armen und in Drohpose vor die beiden Turteltauben hin und setzte dabei ihre überzeugendste Besserwissermine auf. „Das hab ich mir doch gedacht. Dafür hat sich Dickie also heute morgen so fein gemacht“. Sie lachte hell auf und lief ins Wohnzimmer um allen mitzuteilen was sie gerade gesehen hatte.

„Ethelbert und Dickie küssen sich draussen im Flur“ schrie Dalli so laut sie konnte in die versammelte Menge hinein. Die Immenhof-Weihnachtsgesellschaft quittierte dies mit einem Lachen und einem gutgelaunten „So so...“.

Jochen zog Dalli beiseite und erklärte ihr im väterlichen Ton, dass sie doch das junge Glück ungestört lassen sollte. „Och“ sagte Dalli „wenn ich was mache werde ich immer ausgeschimpft und meine Schwester, die olle Zicke, darf machen was sie will. Ich küss mich ja auch nicht mit Jungs rum“. Jochen von Roth lachte laut.... „Noch nicht, Dalli“..... gab ihr einen freundschaftlichen Klapps aufs Hinterteil und ging noch lauter lachend zurück zur Weihnachtsgesellschaft, die es sich mittlerweilen im Wohnzimmer bequem gemacht hatte.

Kling Glöckchen klingelingeling.... Kling Glöckchen kling.... Oma rief die versammelte Immenhof-Weihnachtsgesellschaft zusammen und die grosse Weihnachtsbescherung begann.

(to be continued)
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Beitrag von Ethelbert© »

Weihnachten auf Immenhof (TEIL 5)

Aber keine Weihnachtsbescherung ohne Hindernisse. „Zuerst wird gesungen!“ befahl die Oma. „Ja Oma, muss das sein?“ fragte Ethelbert sichtlich irritiert angesichts des sich androhendenden Unheils. Oma blickte Ethelbert mit durchdringendem Blick an. „Jawohl dass musssssss sein“ entgegnete sie energisch und lautstark. „Bei uns wird an Weihnachten gesungen und da gibt es keine Widerrede! Wer nicht singt bekommt keine Geschenke und nichts zu Essen!“. Die Tonlage von Oma's Stimme war bedenklich hoch und Ethelbert schluckte erst einmal. Der Geruch der Weihnachtsgans, der in seine Nase stieg, liess seinen Protest jedoch rasch verstummen.

„Alles stellt sich jetzt in Reih und Glied vor dem Weihnachtsbaum auf!“ befahl die Oma der Weihnachtsgesellschaft und niemand wagte ein Widerwort. Oma stand in der ersten Reihe, direkt neben der Oma stand eine begeisterte Dalli mit glühenden Bäckchen. Sie schien den weihnachtlichen Singsang offenbar kaum noch abwarten zu können. Hinter Dalli hatten Dick und Ethelbert Aufstellung genommen.

Oma schaute sich um, ob auch alles in Reih und Glied anmarschiert war und nahm die Weihnachtsparade ab. „Du Jochen stellst dich mit Angela hinter Dick und Ethelbert in die dritte Reihe und Dr. Pudlich und Hein stellen sich in die letzte Reihe“ befahl die Oma und warf den Kopf stolz zurück wie Kaiserin Sissi bei Abnahme der königlich-kaiserlichen Wachparade.

„Oh du fröhliche, oh du seelige, Gnaden bringende Weihnachtszeit“.... Oma fing zu singen an und Dalli stimmte begeistert ein. Dick sang ebenfalls mit Imbrunst mit. Sie blickte ihren Ethelbert von der Seite an worauf sich auch dieser dem Weihnachtschor anschloss. Natürlich stand auch Angela ihrer Oma zur Seite und so tat es denn auch Jochen.

Aus der letzten Reihe brummte es unterdessen bedenklich. Dr. Pudlich lag mindestens zwei Takte hinter dem vorgegebenen Weihnachtsliedermarschtempo und Hein Daddel mindestens zwei Töne daneben. So etwas konnte die Oma allerdings nicht beindrucken..

„Sti-hi-lle Nacht, heilige Nacht „ .... „Alle Jahre wider kommt da-ha-s Christuskind „...“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum wie grün sind deine Blätter“. Oma und die Schwestern kannten alle Strophen aller Lieder auswendig. Wie schrecklich! Ethelbert sang mutig mit und bemühte sich so zu tun als kenne er die Texte. In Wirklichkeit litt er jedoch Höllenqualen und sein Magen knurrte ebenso laut wie die Oma sang. Verstohlen blickte er hinter sich. Hein und Dr. Pudlich hatten sich heimlich, still und leise bereits aus dem Staub gemacht und probierten schon einmal den Weihnachtspunsch.

„Und jetzt singen wir noch einmal Stille Nacht“ sprach die Oma. Ethelbert schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Nur noch drei Strophen und er war gerettet. Und endlich war es geschafft, das Weihnachtssingen hatte ein glückliches Ende gefunden! „Ach ja“ sprach die Oma“. „Ach war das schön. Das war so schön wie Weihnachten 1944 als Opa Eberhard auf Fronturlaub war. Ein paar Wochen später seid ihr dann aus Ostpreussen gekommen“.

Oma wischte sich eine Träne aus den Augen. „Erzähl Oma, erzähl“ rief Dalli begeistert und die Oma fing an zu erzählen wie es damals war. „Das war das schönste Weihnachtsfest“ sagte sie. „Da standen wir vor dem kleinen Weihnachtsbaum und Eberhard war mit zwei Kriegskameraden gekommen“. Die Kriegsweihnacht 1944 schien jedermann zu interessieren... mit Ausnahme von Ethelbert, der nur noch Augen für den grossen Kartoffeltopf hatte sowie die braune, wunderschön duftende Weihnachtsgans, die sich unter der grossen silberfarbenen Abdeckhaube verbarg.

„Und jetzt gibt's die Bescherung“ rief Oma und nichts war es mit der Weihnachtsgans. Jochen fing mit der Bescherung an. Pony- und Pferdebücher gab es für die Schwestern, die einen artigen Knicks machten, eine Seidenbluse für seine Verlobte Angela und der Rest der Weihnachtsgesellschaft ging auch nicht leer aus. Für jeden hatte Jochen von Roth eine nette Kleinigkeit ausgesucht. Dann machte sich Oma an die Weihnachtsbescherung. Sie zog eine Kiste hinter dem Sofa hervor und befahl wiederum allen sich in Reih und Glied aufzustellen.

„Jetzt werdet ihr mal anständig eingekleidet“ sagte Oma mit ihrer Fistelstimme. Strickpullover gab es für die Schwestern, Ethelbert erhielt einen besonders schönen knallroten Wollpullover „damit du mir hier nicht einfrierst, du Mimose“ und Dr. Pudlich erhielt einen unerhört langen und dicken Wollschal mit dem man glatt hätte Barbarossa einwickeln können. Und das gleich dreimal. Dr. Pudlich, immer noch mit der Weihnachtsmütze auf dem Kopf, bedankte sich recht artig und verteilte seine Weihnachtsschätze unter den Anwesenden. Jochen bekam eine Schnupftakabdose und Oma eine luxuriöse Mahagoni-Strickkiste. Oma blickte den Doktor herzig an und umarmte ihn.

(to be continued)
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