Es geht auf`s Schiff
In Marseille war es schon nicht mehr ganz so Kalt wie heute Morgen in Hamburg. Nachdem sie ihre Koffer und den Buggy ein gesammelt hatten, verließen sie den Flughafen. Dort auf dem Vorplatz bekamen sie auch gleich ein Taxi, was die drei Personen mit mehreren Koffern, Buggy und Handgepäck aufnehmen konnte. Der Fahrer sah aus, wie Dick sich so einen typischen Clochard vorstellte. Doch als er seinen Mund aufmachte, musste sie ihr Urteil berichtigen. Auch wenn sie den Mann nicht verstand, klang es doch sehr freundlich, außerdem konnte ein Obdachloser sicher auch in Frankreich kein Auto fahren. In einem Deutsch-Französisch Kauderwelsch fragte er: „Das sieht ja aus als ob sie dérapage wollten.“
„Wie bitte, was meinen sie“, fragte Ralph verwundert, der jetzt gar nichts mehr verstand. Bevor weitere Sprachprobleme auftauchten, kam die freundliche Stewardess, aus dem Flugzeug, ihnen zu Hilfe. Sehr gut deutsch konnte sie zwar auch nicht, sie hoffte jedoch, dass es reichte und übersetzte was der Taxifahrer gesagt hatte. „Das sieht ja aus als ob sie auswandern wollten.“
„Ach so! Da hat der Mann sogar Recht.“
„Wo wollen sie denn genau im Hafen hin?“
„Wir wollen zum Kreuzfahrtterminal.“
„Kein Problem, soll ich mit dem Fahrer auch gleich den Fahrtpreis ausmachen?“
„Ja gerne“, sagte Ralph verlegen. „Aber ich habe nur deutsches Geld mit, ob er das nimmt?“
„Bestimmt nicht! Aber sie können es mir geben und ich wechsele ihnen das in die Landeswährung um. Als Chefstewardess kenne ich den Wechselkurs.“
„Gut wenn sie das machen könnten“, sagte Ralph erleichtert. Denn er hatte sich schon auf umständliche Verhandlungen gefasst gemacht und das bei dieser Temperatur, gefiel ihm dass gar nicht.
Die Stewardess wendet sich dem Mann mit der Baskenmütze zu und es gab eine Lautstarke Diskussion, bei der, der Taxifahrer vor Wut seine Mütze abnahm und hinein biss. Nach einer Weile wendet sich die Stewardess wieder zu Ralph und sagt: „Er sagt er will für die Fahrt zweihundert Franc, außerdem bringt er sie genau dahin wo sie wollen.“ Was der Mann sonst noch alles gesagt hat und erst recht seine Flüche, übersetzte sie lieber nicht.
„Ist das nicht etwas teuer“, fragte Ralph, vor dessen inneren Auge eine Rechenmaschine ratterte.
„Oh no, no“, wehrte die Stewardess ab, mit starrem Gesicht. „Das sind ja gerade Mal zweiundsechzig Mark für die weite Strecke. Soll ich ihm das Geld geben?“
„Ja, wenn es sein muss“, sagte Ralph mit zusammen gebissenen Zähnen und er überlegte, ob die Reisekasse überhaupt ausreichen würde, wenn es so weiterging. Während die Stewardess bezahlte, holte er das deutsche Geld raus und übergab es der Stewardess. Weil sie ihnen doch sehr geholfen hatte, bedeutete Dick im noch etwas drauf zu legen. „Bitte sehr, sie haben uns sehr geholfen.“
Die Dame sah die Summe und meinte: „Das ist aber zu viil.“
„Nein schon gut! Ohne sie hätten wir wahrscheinlich mehr bezahlt und auch noch mehr suchen müssen.“
Dann nahm der Fahrer ihr Gepäck und verstaute es im Wagen, sogar der zusammengelegte Buggy fand neben den drei Personen noch Platz. Dann stieg auch er ein und brachte sie zum Hafen. Unterwegs fragte Dick neugierig: „Ralph, wann sagst du mir endlich mit was für einem Schiff wir fahren?“
Weil sie schon eine gute Stunde gefahren waren, sagte Ralph geheimnisvoll Grinsend: „Dick du erfährst es doch noch innerhalb der nächsten Stunde, wart`s doch ab. Ich bin mir fast sicher, das du begeistert sein wirst.“
„Du bist gemein, wir haben doch weder Weihnachten noch habe ich Geburtstag, das du mich auf die Folter spannst.“
Eine halbe Stunde später bremste der Fahrer und Ralph dachte sie müssten an einer roten Ampel warten, stattdessen waren sie schon am Kreuzfahrtterminal. Hinter dem kleinen Gebäude ragten vier hohe Masten, eines Großseglers auf und Dick stotterte: „Ralph, das ist doch nicht etwa unser Schiff oder träume ich?“
„Du träumst nicht, sondern siehst ganz richtig, gefällt es dir denn?“
„Na klar, aber ich glaube wenn ich alles gesehen habe wird es mir noch besser gefallen“, antwortete sie lachend.
Nachdem der Fahrer den Motor abgestellt hatte, ging er zum Kofferraum und holte ihr Gepäck aus dem Wagen. Er baute sogar den Buggy auf und brachte ihn mit einem Lächeln im Gesicht an die Seitentür, wo der Mann mit dem Kind saß. Sie stiegen aus und setzten Franzi in den Buggy. Anschließend wollten sich noch bedanken, aber da stieg der Fahrer auch schon wieder ein und fuhr weiter.
Nachdem sie die nötigen Papiere ausgefüllt hatten und sie aus der Halle traten, sah Dick das Schiff zum ersten Mal in voller Schönheit.
„Das ist doch die *Star Cloud*, von der alle im Segelclub geschwärmt haben. Und jetzt … und jetzt, soll ich mit diesem eleganten Großsegler fahren?“
„Ja und stell dir vor das gleich für volle drei Wochen! Genieße es, denn sobald werden wir wohl keinen Urlaub machen können.“
In dem Augenblick zuckte Dick zusammen und stieß ein kurzes „Au“ aus.
„Was ist, gefällt dir doch etwas nicht?“
„Doch alles in Ordnung, nur unser Nachwuchs hat mich gerade vor Begeisterung getreten. Lass uns doch endlich an Bord gehen.“
„Hoffentlich bekommen wir keinen Seemann, sondern einen Australier.“
„Ralp, woher willst du denn wissen, ob das Kind ein Junge ist“, fragte Dick erstaunt.
„Natürlich, weiß ich dass nicht, aber ich wünsch es mir wohl.“
Damit holte er die Tickets aus der Tasche und ging zu der Gangway, die zum Schiff führte. Die Koffer mit dem Buggy, hatten ihnen schon zwei freundliche Matrosen abgenommen und brachten sie auf anderem Weg auch an Bord.
Mit Frau und Tochter, die inzwischen auf Papas Schultern ritt, gingen sie an Bord. Dort servierte ihnen eine nette junge und hübsche Französin mit einem kecken Hütchen auf dem Kopf, einen süßen dampfenden Empfangsdrink, der ein kleines Schirmchen hatte. Als die Schönheit sie aber dann auf Deutsch ansprach, war nicht nur Dick überwältigt.
„Hallo, ich bin Marlene und eure Ansprechpartnerin hier auf dem Schiff. Macht es euch da drüben erst einmal gemütlich, ich bringe euch nachher zu eurer Kabine. Ich muss nur noch einige andere Passagiere begrüßen.“
Ralph hatte sich so ziemlich von der Überraschung erholt und antwortete schon flirtverdächtig, mit schwimmenden Augen: „Aber gerne Marlene!“
Damit Franzi nicht sofort auf dem Schiff Unsinn machte, setzte er sie zwischen sich und Dick auf die Bank. Sie saßen mit dem Rücken zur Reling, wo sie die langsam steigende Sonne beschien. Bald waren Ralph und seine Frau der warmen Herbstsonne der *Côte d’Azur* erlegen und dösten ein, nur Dick riss sich immer wieder zusammen, weil sie ihre Tochter doch nicht ganz aus den Augen lassen. Doch hätte sie sich keine Sorgen machen müssen, es gab viel zu beobachten, darum vergaß Franzi ganz das übliche zappeln. Nicht nur ihre Tochter war von dem Schiff begeistert, auch ihre Mutter konnte sich erstmal gar nicht satt sehen, an dem ganzen Segelutensilien.
Irgendwann wurde selbst Ralph hellwach, als laute Segelkomandos zum ablegen über Deck schalten. Dick überließ es ihrem Mann Franzi zu beobachten und suchte sich an der Reling eine Stelle, von der sie dieses Manöver gut sehen konnte. Dabei überkam sie wieder die die Sehnsucht, selber Hand anzulegen. Marlene beobachtete diese Frau schon einige Minuten und sprach sie an.
„Jetzt hätte ich Zeit euch die Kabine zu zeigen, aber ich glaube du möchtest lieber erst zusehen.“
„Ja auch! Aber ich würde gerne mal ein solches Schiff segeln.“
„Ja kannst du denn so etwas?“
„Natürlich, zwar nicht in dieser Größe, aber ich habe meinen Segelschein gemacht.“
„Ja dann, wird unser Kapitän dir sicher gerne die Brücke zeigen und beim Segel setzen und sonstigen Tätigkeiten an Bord, kannst du sowieso mit anfassen. Aber jetzt lass uns doch erst mal den Rest deiner Familie holen.“
„Wieso machst du denn so ein Geheimnis wegen der Kabine, Marlene?“
„Ich nehme an, dein Mann wollte dich damit überraschen, deswegen will ich jetzt dazu nichts sagen.“